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Irland: Sommer ist, wenn der Regen wärmer ist!

Insofern ist hier der Sommer vorbei, scheint es. Seit Tagen ziehen die Schauer durch den Hafen, als schüttet der Herrgott alle halbe Stunden Wassereimer in einen Ventilator. Auch die irischen Schafe haben keine Locken, denn die Böen brechen wie Lawinen von den Hängen in die Bucht. Die Intervalle sind so kurz, dass man kaum trockenen Fußes bis zum Hafenklo und zurück kommt, aber meist zeigt sich zur Untermalung der Pausen ein prächtiger Regenbogen hinter der landseitigen Mole. Und wieder nur 10 ° C. Das haben auch die freundlichen Iren nicht verdient. Vielleicht pflegen sie aber gerade wegen des verbesserungswürdigen Wetters diesen bemerkenswert menschelnden Umgang miteinander.

Naheliegender Weise hatten wir vor, mit dem Boot um die lange Halbinsel herum in den nächstgelegenen Hafen Dingle zu fahren, aber die anhaltend starken Westwinde und die noch sehr lebhaften Erinnerungen an unsere abenteuerliche Ausfahrt aus dem Shannon bewogen uns, auf eine Landpartie auszuweichen. Die wenigen Westküstenhäfen Irlands liegen alle recht weit im Landesinneren, sind somit zwar gut geschützt und sicher mit achterlichem Wind zu erreichen, jedoch stellt die entgegengesetzte Richtung zum Erreichen der offenen See für mehrere Stunden eine anspruchsvolle Herausforderung an das Boot und seine Maschine sowie an die physische Konstitution und Opferbereitschaft der Mägen der Mannschaftsmitglieder dar. Also legten wir den Magenschongang ein, und unternahmen einen umständlichen Landausflug mit Bus und Taxi nach Dingle, einem sehr hübschen bunten Hafenstädtchen auf der anderen Seite der Berge.

Auch dort sorgte das Wetter dafür, dass wir uns an hellerlichtem Tage nur von Pub zu Pub flüchten konnten. Allerdings lohnt es dort ganz besonders, die Pubs sind originell und urig, einige sind mit normalen Läden oder Werkstätten verbunden. Wir sitzen am Tresen in einem mehr als 100 Jahre alten Pub-Laden, nippen am Guiness, Whiskey oder Gintonic und hinter uns nagelt der Sattler Nieten in einen Gürtel oder der Schuster besohlt Schuhe. (Eine bedenkenswerte Kombination, falls die Street-Food-Spezialitäten in der H10 nicht laufen.) Das Stammpublikum hockt mit dem Feierabendbier an der Werkbank, und versüßt mit Neuigkeiten und Witzen dem Handwerker die Arbeitszeit. Gegenüber am Tresen wirbelt der Barkeeper und muss die amerikanischen Touristen bedienen und unterhalten. Am raumhohen Whiskeyregal hängt ein Zettelchen: NO TRUMP TALK!

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Das Wetter hat es uns, wirklich erstmalig auf unserer Reise, schwergemacht und unsere Unternehmungen entscheidend beeinflusst, besser gesagt, gebremst. Tagelanger Starkwind und die heftigen Schauer fesselten uns ans Boot, was an sich nicht tragisch ist, denn die Heizung sorgt in Minutenschnelle für wohlige Wärme, die Bordbibliothek hält viel verlockenden Lesestoff bereit, der Reiseblog will gefüttert und Fotos gesichtet werden, und letztlich ist die Koje in der Bugkabine saugemütlich und wir können schlafen wie die Babys. Aber wir hätten gern mehr entdeckt auf dieser schönen grünen Insel. Doch das Jahreszeitenfenster für eine möglichst sturmfreie Fahrt nach Spanien über den Golf von Biscaya wird kleiner, und die Wetterprognosen zeigen erstmalig seit Wochen ein ruhigeres Fenster mit dem gewünschten Wind aus der richtigen Richtung und allgemein moderaten Bedingungen.

Wir werden sie vermissen, die Iren, aber wie Brüderchen Atze an diesen Stellen immer verkündete: Irland ist ab jetzt Heimatrevier.

Die Wellen sollen morgen (15.9.) nur noch mit guten 2,5 m statt gestrigen 3,5 – 4 m „vor der Tür“ stehen, Wind mit 5 bft von vorn, behaupten die Experten. Also werden wir morgen, am Freitag, nach Süden verschwinden, in der Hoffnung, in Spanien noch auf den abfahrenden Sommerzug aufspringen zu können. Vielleicht doch noch einmal in kurzen Ärmeln und Flip-Flops an den weißen Füßen draußen im Cafè sitzen, bei einem Campari-Orangensaft, und ohne Frösteln in den Sonnenuntergang blinzeln? Bekommen wir den Eierlikör dann doch noch ohne Korkenzieher durch den Flaschenhals? Vielleicht bleibt dann das Sägemesser künftig in der Lade und die Butter lässt sich butterweich auf den Toast streichen? Und bekommt die Skipperin noch Verarbeitungskonsistenzen für den eingefrorenen Lippenstift und die bröselige Wimperntusche?

13:30: Leinen los, gen Westen. Gut möglich, dass es trotzdem erst einmal ziemlich ungemütlich wird.

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Galerie Fenit 2:

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Galerie Dingle:

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