Marokko-Nachsitzen, dank Dauerwestwind

Marokko-Nachsitzen, dank Dauerwestwind

Wie gesagt, der Westwind oder Neptun oder Petrus, welcher Gott oder Wetterfrosch auch immer, oder auch alle zusammen hatten offensichtlich überzeugende Argumente gegen eine Abreise aus Marokko. Geplant war ursprünglich Ende Februar, Anfang März, aber da sich die Kachelmänner dieser Erde in ihren Wetterprognosen einig waren, brach für uns nochmal die Landausflugszeit an. Nach Casablanca lockten uns vor allem zwei Gründe: ein Besuch der großen Moschee Hassan II und die Suche nach dem Anorak meines Bruders. Da die neue Marina für Besucher noch nicht freigegeben ist (König Mohamed VI hat borstigere Igel zu kämmen hat als den Lustboothafen Casablancas zu eröffnen), mussten wir den Plan, mit FreiKerl in diesen „geschichtsträchtigen“ Hafen einzulaufen, in einen Tagesausflug per Bahn wandeln. Nein, nicht nur Ingrid und Humphrey, kurz darauf waren auch Axel und Uwe schon hier. Vor 49 Jahren (as time goes by!!!; oh, my god) führte die Rückfahrt vom 2-jährigen Kuba-Aufenthalt unsere Familie mit dem Frachtschiff „Schwerin“ der Seereederei der Deutschen Demokratischen Republik kurioser Weise an ebendiesen exotischen Ort. Und während dieses Aufenthaltes im Hafen von Casablanca klaute einer der schurkischen Schauerleute – es war seinerzeit noch Handarbeit beim Be- und Entladen notwendig – Atzes grünen Kinderanorak von der Westoma durch das offenbar ungenügend verschlossene Bullauge unserer Kabine.

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Trotz intensiver Bemühungen fanden wir weder jemanden der den Schneid hatte, die Missetat zuzugeben, noch konnten oder wollten sich die Schlitzohren, die heute untätig und gelangweilt am Containerterminal herumlungern, sich daran erinnern. Atze, find` dich damit ab, das Ding ist endgültig weg.

Dafür steht jetzt am Hafen eine gigantomanische, 20.000 Muselmane und 5000 Muselmaninnen fassende Moschee, in die zu bestimmten Zeiten gegen gutes Geld auch „Ungläubige“ geführt werden. Die Dimensionen sind grotesk. (Bei Bedarf bitte googeln). Der Papa des heutigen Herrschers über Marokko hat den 1993 eröffneten Brocken, der nun als Wahrzeichen Casablancas gilt, in nur 6 Jahren anlässlich seines 60. Geburtstages zum Ruhme Allahs, und der Annahme, dass die Welt von ihm in 6 Tagen erschaffen wurde, ans Atlantikufer neben den Hafen klotzen lassen. Des Nächtens von See aus ist das 210 m hohe Minarett des größenwahnsinnigen und berechtigter Weise noch immer umstrittenen Bauwerks, dieser Leuchtturm des Islam, aus mehr als 30 sm Entfernung als strahlender Fingerzeig noch gut auszumachen.

So beeindruckend dieses Gebäude, dessen Dach sich für die ungestörte Zwiesprache der Betenden mit Allah aufschieben lässt, auch ist, es bringt mich keinem Gott näher. Für mich bleibt es dabei, dass technische und handwerkliche Meisterleistungen instrumentalisiert werden zum Zwecke der Einschüchterung und Unterwerfung. Der fromme Muselmann breitet seinen kleinen Läufer überall hin, sagt er uns, und eine medizinische Einrichtung, möglichst mit einer schlagkräftigen Dentalabteilung in der Nähe wäre ihm doch wichtiger. Dennoch, die flächendeckende „Moscheeisierung“ des gesamten Landes bis in das entlegenste Kaff durch überwiegend uniforme und schlichte Gebetshäuser ist ein offensichtliches Ergebnis der letzten Jahrzehnte.

Casablanca ist eine 5-Millionen Metropole. Hier puckert das wirtschaftliche Herz Marokkos. Erwartungsgemäß ist es laut und geschäftig, unterscheidet sich aber von Marrakesch und vergleichbaren touristischen Zentren durch größere Gelassenheit und freundliche Unaufdringlichkeit. Uns gelang tatsächlich ein Abstecher in die Medina, ohne den ausgefeilten Verkaufskünsten der Händler zu erliegen. Allein unsere Aussage bereits seit 7 Wochen in Marokko zu weilen, lässt die beflissensten Händler augenrollend, aber verständnisvoll nickend (kein Frischfleisch mehr) aufgeben. Next time, inshallah.

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Aber wir warten ja nicht, wir erleben Marokko. Dafür drängeln wir uns mit Reisegepäck in die hoffnungslos überfüllte Dienstagsvormittagsstraßenbahn, um unsere Autovermietung im Rabater Stadtzentrum zu finden. Absurderweise notiert der ehrgeizige junge Kollege akribisch jede Delle, jeden der unzähligen Kratzer an dem knapp ein Jahr alten, rundherum von Nahkampfspuren gezeichneten französischen Kleinwagen, den wir zu unserer Überraschung, damit die neuen „Feindkontakte“ nachvollziehbar sind, innen und außen gereinigt wieder abgeben sollen. Nun denn. Ich gebe zu, die anarchische marokkanische Fahrweise, dieses lässige Umeinandergeschiebe auf engstem Raum, unter möglichst geringer Preisgabe des eigenen „Fahrplanes“, bereitet mir Vergnügen. Aber vor uns liegen überwiegend langweilige Autobahnkilometer bis Essaouira, einem beschaulichen Fischerstädtchen mit mittlerweile prosperierendem Tourismus. Unser Riad liegt im Herzen der Stadt. Hinter der angrenzenden Kasbahmauer hören wir zufrieden die Atlantikbrandung auf die Uferfelsen donnern. Der Fischerhafen neben der kleinen Festung verdient den Namen noch. Zig Boote aller Größen sind mit endlosen Leinen nach einem ausgeklügelten oder zufälligen Bondage-Muster in ein „Packproblem“ miteinander vertäut. Nach spontanem Angelausflug sieht es nicht aus. Doch auf der Pier an den vielen kleinen Fischständen und in der Werft geht es lebhaft und geschäftig zu wie auf dem Basar.

Touristen schieben sich neugierig durch die Reihen der eindrücklich gestikulierenden und laut um den frischen Fang Feilschenden. Auf dem Hauptplatz geben sich trommelnde und fidelnde Folkloremusiker in plötzlichem Wechsel die „Klinke“ in die Hände, um selbige nach knapp 1-minütigem Auftritt vor den Cafés den ungläubigen Touristen fordernd entgegenzustrecken. Die Medina ist weitläufig und lädt zum Schlendern ein; die Händler sind noch erfreulich entspannt und sparen sich ihre Kräfte für den Saisonstart auf. Wir nutzen die noch schwächelnde Form der Soukhändler um unsere Verhandlungsfortschritte in diversen Ledertaschenlädchen zu testen.  Unser bestes Tagesergebnis: umgerechnet 140 € wollte der Spitzbube; für meine angebotenen 40 € hätten wir die schmucke Kamelledertasche schlussendlich – nach Rückversicherung beim betont verzweifelt dreinblickenden Papa – mitnehmen können, was wir jedoch entrüstet ausschlugen. Am unscheinbaren, für den süddeutschen Kurzurlauber womöglich nicht gründlich genug durchdesinfizierten und überwiegend von Einheimischen besuchten Imbisstand gibt’s die köstlichsten Fleischspießchen und Tajines fast geschenkt. Die Liegenvermieter schielen am feinsandigen Stadtstrand in noch vorsaisonaler Schläfrigkeit matt und unmotiviert unterm Sonnenschirm hervor, und bis auf ein paar tollkühne Weisshäute steckt noch niemand einen Zeh ins spätwinterliche Atlantikwasser. Nach 2 Tagen sind wir „durch“, und mit der durchaus nicht neuen Erkenntnis, dass uns die „Landausflüge“ weit stärker locken, gondeln wir an der hügeligen Küste südwärts, durch steinige Wüstenrandlandschaft, deren einziger, wie auf die ockerfarbenen gerölligen Berghänge gesprenkelter Bewuchs die großdornigen, knorrigen Arganien sind. In Ermangelung alternativer Futterquellen waren die Bergziegen dieser Region gezwungen das Baumklettern zu erlernen. Der Anblick bis in die Wipfel ziegenbestandener Bäume mutet wahrlich kurios an. Wie die kleinen meckernden Hornviecher äußerst geschickt auf den dürren Ästchen balancieren und mit überstreckten Hälsen die olivgrünen Nüsse pflücken ist zirkusreif. Übrigens verwerten sie lediglich die grüne Schalen, die Nüsse selbst werden unverdaut wieder ausgeschieden, von den emsigen „Arganfrauen“ unzähliger Kooperativen gesammelt und ebenfalls zum goldgleichen Öl verarbeitet.  Der Weg nach Tafraout führt quer durch die Touri-Metropole Agadir. Was für ein Spaß. Die marokkanische Personenbeförderungslizenz sollte mir sicher sein.

Die serpentinenreiche und wenig befahrene Strecke in den geliebten Antiatlas bot darauf eine Stunde entspannten Cruisens. Idyllisch auf Hügel in den Tälern gepflanzte Wehrdörfer, üppig grüne Wiesenplateaus und – terrassen, auf denen sich Zicklein um einsame Bergnomadenzelte drängen, schroffe Felsformationen in allen Rottönen, hinter denen sich endlose oasige Täler eröffnen, aus denen die blühenden Mandelbäume herausleuchten, lassen allein diese Fahrt zum Ausflugsziel werden und versetzen nicht nur die Bordfotografin in Entzücken.

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Das Berberbergdorf Tafraout in 1200 m Höhe liegt malerisch eingebettet zwischen zwei gestreckten Gebirgsketten. Die wilde landschaftliche Schönheit hat in den letzten Jahren den Fremdenverkehr angekurbelt. Zu unserer Überraschung sind alle Unterkünfte belegt. Es ist Mandelblütenfest, die größte Sause des Jahres, nach dem Ende des Ramadan. Auf der Suche nach einer Herberge für die eine Nacht geraten wir zufällig an Richard. Der wackere Landsmann aus Oberbayern betreibt hier seit 12 Jahren eine Zimmervermietung und einen Mountainbikeverleih. Auch er schüttelt den Kopf, zeigt auf den sportlichen Herrn, den Hans aus Zürich, der uns vor 10 min das letzte Appartement weggeschnappt hat. Hans jedoch ist unkompliziert, cool, und wie sich herausstellt, großartiger Zeitgenosse und bietet uns ein Appartement-sharing an. So bekommen wir den Schlafraum und er begnügt sich mit dem „Untergeschoss“ des Stockbettes im Vorraum. Voilà, manchmal ist das Leben denkbar einfach. Bevor wir uns am späteren Abend mit Hans und Richard auf ein Bier einfinden, wollen wir uns die Gelegenheit, eine populäre Berbercombo auf der gigantischen Festivalbühne zu erleben, nicht entgehen lassen. Acht Musiker und drei singende, weiß gewandete „Tänzer“, die sich wie im Schulterschluss verschraubt an der Bühnenkante trippelnd und schulterzuckend hin – und herschoben, (als frören sie und/oder kämpften gegen starken Harndrang, pardon), heizten den Muselmassen mit nicht enden wollenden, für unsere Ohren strapazierend monotonen Musikstücken ein. Das nach einer aktuellen Facette einer islamischen Regelinterpretation sowie mittels eines angemessen breiten Streifens Niemandsland geschlechtergetrennte Publikum war trotz strenger Polizeiaufsicht allerdings völlig von den Tanzsocken. Dass Frauen ausgelassen miteinander tanzen, kennen wir. Zu unserer Verblüffung standen die tanzfreudigen Burschen den Damen jedoch kaum nach, wenn sie nicht doch schmachtend und verstohlen über den Doppelzaun schielten. Offenbar fällt es den Muslimen leichter, die gründlich verborgenen Reize der in 8 m Tuch gewickelten Mädels zu erahnen. Einer gesund entwickelten Sexualität kann das nicht dienen, soll es aber auch nicht. Wie prickelnd. Unterdessen hatte sich ein weiteres deutsches Pärchen ohne Obdach neben Hans in Richards heimeligem Büro eingefunden. Klar, die quartieren wir im großen Wohnzimmer mit ein, alles kein Problem. Wir sind doch jung und flexibel. Ewig haben wir nicht mehr so lange am Stück deutsch palavert. Ja, auch an Land trifft man auf Reisen auf viele interessante Leute, mit verrückten und unvorstellbaren Lebensentwürfen und -geschichten. Kaum jemand kommt auf geraden Wegen daher. Es war ein großer Abend. So gegen halb vier waren alle glücklich über den kurzen und hindernisarmen Heimweg in unser marokkanisches Bettenlager deutscher Prägung in der ersten Etage.

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Dank Richards Ortskenntnis und Kartenmaterial machten wir uns nach Kurzschlaf auf, die Gegend zu erkunden. Unbestreitbarer Höhepunkt war die in keinem Führer vermerkte Oase Ait Mansour im gleichnamigen Tal. Kilometerlang holpern wir durch schattige Tunnel, die die dichten Palmenalleen und Bambusdickicht entlang des mäandernden Flussbettes bilden. Kleine Lichtungen geben Blicke auf die umgebenden senkrechten Felswände und mancherorts an die Hänge gepappte Lehmhäuser und Gebäudegrüppchen frei. Es ist märchenhaft schön.

Den bereits mit gehöriger Skepsis bedachten Besuch der „painted rocks“ vor den Toren Tafraoutes legen wir auf den Heimweg. Wir verbuchen die unter „Naturkunstwerk“ angepriesenen, in verblassendem Hellblau und verwaschenem Pink angestrichenen riesigen rundgelutschten, sich auf einer weitläufigen Gebirgskuppe verteilenden Steingebilde als „Naturkatastrophe“, als Verbrechen an der Natur. Mensch, was hast du getan. Ein Gefühl des Fremdschämens gegenüber Mutter Erde beschleicht uns.

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Nach herzlichem Abschied von Richard und unseren „Bettgenossen“ machen wir uns auf den Serpentinenheimweg, der uns jetzt noch grandioser erscheint als auf der Herfahrt. Nach knapp 700 km, einschließlich eines Fortgeschrittenenkurses in Agadirs Feierabendverkehr, laden wir um Mitternacht Gepäck und Beute unter den wachsamen Augen des Marina-Sicherheitsnachtdienstes wieder ins verwaiste Boot. Am kommenden Vormittag übergeben wir das Wägelchen ohne neue Einschläge und dank leidenschaftlicher Feinwäsche vom Tankwart um die Ecke sauberer als ein Neufahrzeug dem ungläubig nickend ums KFZ schnürenden budget-Mitarbeiter.

Eigentlich sind wir dem Dauerwestwind auch dankbar …

Am Sonntagnachmittag bastele ich doch noch ein paar Festmacherschoner aus Schlauchstücken, vor allem aber um die schlafraubenden Knarzgeräusche im Inneren unserer Konservendose zu mindern. Auf dem benachbarten Motorboot sieht ein westlich gekleideter, basecap und darunter verspiegelte Pornobrille tragender Marokkaner nach dem Rechten, fragt mich aus nach dem üblichen Woher und Wohin und ob wir schon zu Mittag gegessen hätten. Meiner verneinenden Antwort begegnet er mit einer spontanen Einladung zu sich nach Hause, und eine viertel Stunde später sitzen wir in seinem Hundefänger, (er scherzt johlend was von kidnapping, haha) und eine weitere viertel Stunde später zwischen seinen beiden hübschen kleinen Töchtern, die sich freuen, ihre frisch erworbenen Schulenglischkenntnisse anzubringen, in seinem Wohnzimmer am gedeckten Tisch und lassen uns das Sonntagsmenü mit Lammtajine schmecken. Gekocht hat seine freundlich und offen blickende Mutter, seine strenggläubige und dauerbetende Gattin bekommen wir leider nicht zu Gesicht. Im früheren Leben tourte er als DJ durchs Land, jetzt hat er Familie, ist sesshaft, betreibt einen Sportklamottenladen in Salè, und wollte uns marokkanische Gastfreundschaft nahebringen. Danke Radwan.

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Zu unseren Standartgängen in Rabat gehören neben den Kontrollen der Wellenhöhen an der Hafeneinfahrt die Besorgungen in der Markthalle Salès. Mittlerweile kennen uns die Leute und die Preise für Gemüse und Obst, Fleisch und die leckeren Süßwaren sind von Besuch zu Besuch gesunken. Allein Brot ist – verständlicher Weise – nicht mehr reduzierbar, sonst würde es verschenkt. Der zahnlose Gemüsemann lässt mich in Ermangelung eines Gästeglases von seinem eigenen Teegläschen nippen, und während Anke die Beutel füllt, radebrechen wir etwas, dass nicht wiederzugeben ist. Schon von weitem strahlt mich der Alte hinterm Patisserietresen an. Es hat auch mehrerer Anläufe bedurft, bis ich mich durch die Unmengen liebevoll gestalteter Köstlichkeiten aus Honig, Schokolade und Nüssen durchgefressen hatte. Strahlend und wortlos bekomme ich nun immer ein paar Extrastückchen ins Schächtelchen gepackt. Und beim Olivenmann kann ich mich ungeniert satt probieren.

Bevor wir zwangseingebürgert werden müssen wir weg. Und tatsächlich: der angedrohte Nordwind scheint für die Strecke nach Madeira/Porto Santo zu passen und zwingt uns zum Abschied nehmen. Von Louis und Annick, den netten Bretonen, mit denen wir einige vergnügliche Abende im Sinne der deutsch-französischen Freundschaft verbracht haben, von unserer fröhlichen Lieblingskellnerin in der Quai-B-Bar, von DJ Ronanan, den immer freundlichen und grüßenden Wachleuten entlang der Pier, und allen, die unsere Wochen hier zu einer unvergesslichen Zeit werden ließen. Wir haben uns immer und überall willkommen gefühlt, ganz neue Erfahrungen gewonnen, haben Vorurteile ablegen können, wurden uns eigenen Urteilen nähergebracht. Marokko ist selbstredend das gegensätzlichste Land auf unserer Reiseroute. Die Reibungsflächen zwischen Tradition und Moderne, zwischen Eselkarren und Elektroautos, Schiefertafel und iPad, im engen und strengen Korsett des Staatsislam und mit enormem Aufwand an Polizei, Militär, Sicherheitskräften und aufgeblähter Verwaltung gebändigt, flankiert von Korruption und Denunziation, sind überall gegenwärtig und bestimmend. Modernisierungs- und Reformbemühungen der letzten Jahre sind sicher nicht zu leugnen. Aber, Moscheen und Imame statt Kliniken und Zahnärzte? Das „Opium fürs Volk“ macht hier einen guten Job.

Verschleierte Frauen, die einem Mann (oder ungläubigen Mann?) nicht in die Augen sehen können oder dürfen, in quietschbunten Fleecekaftanen mit MickyMouse – oder Chanel-Aufdruck sind durchaus salonfähig, wie auch US-Camouflagehosen unter der Djellabah durchaus moscheetauglich sind. Auch die mobilen und immobilen Insignien des Wohlstands und der Macht sind offensichtlich weltweit gleich, Islam hin oder her. Viel gäbe es zu fragen und zu diskutieren. Ja, wenn man mehr weiß über dieses zwiespältige Land. Also vielleicht beim nächsten Mal, inshallah.

Nach etwa 4 Wochen des Wartens wollen wir entschlossen die erste sich bietende Gelegenheit passender nördlicher Winde ergreifen und kündigten unser Vorhaben bei den für das Verlassen des Hafens und des Landes zuständigen Behörden an. Die Jungs vom Pilot-Dienst wiegen etwas zweifelnd den Kopf und wollen am nächsten Vormittag der Sicherheit halber noch die Wellenhöhe prüfen. Okay, sind noch über 2 m, aber mit dem Schiff und guter Maschine und nach dem Mittag, kurz vor Hochwasser, wird es gehen. Die gut gelaunte Dame (im besten Alter), mit den meisten Schulterpickeln aller fünf im Einreisebüro herumdösenden Grenzbeamten macht es kurz und schmerzlos und verabschiedet mich augenzwinkernd mit „isch libe disch“. Wo sind wir hingeraten? Hinter der gläsernen Bürotür des benachbarten Zolls köchelt köstlich duftend gerade die Elektro-Tajine auf dem grauen Fliesenboden und lässt uns den Zahn tropfen. Statt diensteifrige Neugier zu entwickeln laden uns die Zöllner zum Essen ein. Die Ablehnung fällt schwer, aber wir wollen los, zumal der Lotse plötzlich drängelnd in der Marina herumkurvt. Ja, die „Knochenmühle“ die 1, gelegentlich auch 2 ausländischen Boote pro Woche ankurbeln, ist für den 10 bis 12-köpfigen Amtsschimmel kaum zu bewältigen. Selbst der vom Flughafen entliehene Schnüffelhund scheint wenig motiviert, scharwenzelt leicht angemüdet kurz übers Deck, weigert sich die Nase in unseren Salon zu halten und will schnellstens von Bord gehoben werden, um – Glück für uns – auf die Gangway zu pinkeln. Womöglich spekuliert er auf die Tajine-Reste.

Wir drücken nochmals Louis und Annick, die noch auf ihren „Mittelmeerwind“ warten. Sie drücken uns eine Flasche marokkanischen Roten als „Anleger“ in die Hand, auf den Auslöser für Abschieds – und Ablegefotos und werfen unsere Leinen los. Gibt`s ein Wiedersehen im Sommer in der Bretagne? Ab nun wieder: so Gott will.

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Das wars für`s erste, Marokko. Shukran, besslama. Ahoi.

FreiKerl kämpft sich mit 3 kn bei 2200 rpm im Kielwasser des Lotsen gegen knackigen Wind, das einlaufende Wasser und die steilen Wellen aus dem Bouregreg ins offene Meer. Die 1,40 m, die uns in den kurzen Wellentälern vom Tiefenmesser anblinken, ignorieren wir geflissentlich. Die berühmte „Handbreit“ war breit genug. Dass es kein gemütlicher Törn wird, war uns vorher klar. In den letzten 4 Monaten sind wir nur 2 Tage gesegelt. Unsere Seebeine sind rudimentär, die Bootsbewegungen ungewohnt wie beim ersten Mal. Und nun: bullriding! Boah! Nach 3 h Gestampfe am Wind bin auch ich (erstmalig!) reif fürs rettende Antikotzpflaster hinterm Ohr. Nix gönnen wir den Fischen. Beim Versuch Anke von meiner Banane abbeißen zu lassen, matsch ich ihr das weiche Früchtchen ins Nasenloch und auf den Brillenrand. Gemäß Prognose soll der Nordwind übermorgen etwas westlich drehen, weshalb wir so hart wie uns vernünftig erscheint am Wind segeln, um etwas Höhe herauszufahren, die wir dann opfern können.

So kommt es tatsächlich und auch, dass am letzten Tag der Wind wie angekündigt auf Nordost dreht und wir mitgehen und direkt Kurs Porto Santo anlegen können. Gut durchgeschüttelt und gesalzen liegen wir nach 99 h, von denen wir 98 h gegen durchschnittlich 20 kn Wind und 3 – 4 m Welle gesegelt sind, fest am Hammerkopf des Gästesteges. Vier Tage auf der „schiefen Bahn“. Vier Tage: überwiegend sonnig und regenfrei, mit wieder faszinierend klaren Mond- und Sternenächten, aber auch beeindruckenden Wellengebäuden, bis auf eine große Schildkröte, einen fliegenden Fisch und ein paar Seevögel allerdings ohne Getier (wären in der „unruhigen“ See auch schlecht zu erkennen gewesen), und einem Wind, der den ganzen „Peter“ und unsere ganze Geduld gefordert hat und den wir noch Stunden in den Ohren haben, der uns so weich geleierte Landkniee wie noch nie beschert hat.

Wir haben es so nicht darauf angelegt, sind aber pünktlich zum Osterfest in der christlichen Welt zurück. Seit unserer Ankunft vor 14 Tagen im Hafen von Porto Santo zerrt FreiKerl bockig unter den heftigen Böen nördlicher Winde an den Festmachern und haut sich pendelnd immer wieder ergeben auf die Seite, so dass uns der sichernde Griff beim Teeeinschenken oder beim Toilettengang nicht erspart bleibt. Der Schwell im Hafen lässt die Fender am Fingersteg gequält quengeln und reicht aus, dass der Schrittzähler meiner Multifunktionssegleruhr schon vor dem Aufstehen ein paar hundert Schritte weg hat. Die Kehrseite des unwirtlichen Wettergebarens ist, dass sich Zeit findet, die letzten 3 Wochen „Afrika“ von „Europa“ aus nachzubereiten. Wir sind uns einig, dass der Nachhall unserer großartigen 8 Wochen erlebnisgefüllten Marokkoaufenthaltes uns gewiss noch lange beschäftigen wird.

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