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Turtle Race

Das Rennen Rund Sardinien gegen eine sardische Landschildkröte hätten wir möglicherweise verloren. 14 Monate haben wir gebraucht, um knapp 400 Seemeilen zu bewältigen, was im Durchschnitt weniger als EINE Meile pro Tag ist.

Aber zurück: Anfang Mai haben wir das Winterquartier in Cagliari mit dem Ziel verlassen, uns um die Südküste herum und an der Westküste hinauf zur Inselnordspitze zu hangeln. Gleich der erste Stopp in der schönen Tuarredda-Bucht bremste unseren Elan und dehnte sich zu einem 2-Wochen-Ankerplatz, denn der herrschende Mistral verwies sehr deutlich darauf, dass wir noch Vorsaison hatten. Welch ein Glück. Wir hatten endlich Zeit und – vom Pfeifen im Rigg angesehen – Ruhe, in fünf Abschnitten den Blog-Rückstand des letzten Halbjahrs aufzuarbeiten.

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Besten Gewissens segelten wir sodann nach Carloforte, dem Thunfischfängerdorf und Hauptörtchen auf der entzückenden vorgelagerten Insel San Pietro. Abgesehen davon, dass sich ein kurzer Aufenthalt grundsätzlich lohnt, stand ärgerlicherweise Arbeit an: Die Batterien vom Bugstrahlruder hatten über den Winter unbemerkt den Geist aufgegeben und das Boiler-Sicherheitsventil, das bisher noch verhalten tröpfelte, leckte plötzlich derart, dass wir täglich mehr als 50 Liter Wasser verloren. Aber nun geschahen sardische Wunder: Die speziellen Batterien beschaffte die Hafenmeisterin übers Wochenende! Doch jetzt kommts: im örtlichen Baubedarfs-Tante-Emma-Lädchen blinkte mich aus einer unübersichtlichen, eingestaubten Geraffelbox genau das benötigte Ventil an, in der gewünschten Ausführung, mit den passenden Anschlussquerschnitten und -gewinden, für den gewünschten Druck, und auch noch in Messing! Für 4,80 €!! Gegen diese Wahrscheinlichkeit hätte ich Haus und Boot verwettet, weshalb ich schon in vorauseilendem Gehorsam für den 10-fachen Preis so ein Teil in Deutschland bestellt hatte. (Welches natürlich erst eintraf, nachdem wir die Marina längst verlassen hatten, und nun bis in alle Ewigkeit das dortige Hafenbüro zieren wird.) Allerdings hat einen Großteil des Ventil-Erwerbs-Glücks die Auswechselung desselben aufgefressen, welche einen hohen Anspruch an Geschicklichkeit, Beweglichkeit, Fitness und vor allem Leidensfähigkeit stellte.

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Nach zwei Tagen ließen die Schmerzen nach, die Sonne schien wieder, und die 6000-Seelen-Gemeinde verlockte uns – und entschädigte mich – mit dem Girotonno, dem alljährlich stattfindenden 4-tägigen Festival rund um den Thunfischfang, dessen Zubereitung und dem Verzehren der thunigen Köstlichkeiten. Und obendrein feierten wir das Wiedersehen mit unseren Freunden und Stegnachbarn aus Cagliari, Silvercurl-Crew Karin und Heinz.

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Mit den beiden sollten wir die nächsten 6 Wochen gemeinsam nordwärts ziehen und viel und äußerst vergnügliche Zeit an den schönsten Ankermöglichkeiten, die die Westküste bietet, verbringen. Die Highlights waren sicher die mystischen Nächte am Fuße des Pan di Zucchero, des Zuckerhuts, vor dem Minenhafen Porto Flavia, den wir schon voller Begeisterung während eines Winterausfluges von Land aus besichtigten. Die vollkommene Ruhe über spiegelglatter See und unter strahlendem Vollmond trat erst lange nach Einbruch der Dunkelheit ein, wenn das infernalisch jammernde Gezeter-Konzert der verrückten Gelbschnabelsturmtaucher erstarb. Vermutlich gibt es nur wenige Tage im Jahr, wenn überhaupt, an denen man an diesem verzauberten Ort ankernd verweilen kann.

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Nach diesem überwältigendem Stopp hatten es die nächsten Hotspots, die allesamt grandios und in dieser Zeit im Jahr noch erfreulich leer und ruhig waren, zu Unrecht etwas schwer. Doch die winzige Naturschutzinsel oder besser Hitchcock-Insel Isola Mal di Ventre (Insel der üblen Winde, oder auch Bauchweh-Insel) möchte ich erwähnen: dieses flache Eiland ist nur von Tausenden Seevögeln, überwiegend verschiedenen Mövenarten, beherrscht. Obwohl Brutzeit längst vorbei, gehen die Viecher direkt per Sturzflug auf Angriff, wenn man sich ihren Bodennestern nähert. Hitchcock muss sich hier die Idee zu Die Vögel aufgedrängt haben.

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So ging es gen Bosa gemächlich voran. Dort ankerten wir vor dem Hafen, verbrachten auch drei Nächte in der Marina, und genossen ein paar Tage städtisches Leben mit all seinen Vorzügen. Unser Eindruck anlässlich des Februarbesuch bei Claudia und Kim (… 9-gängiges Hochzeitsmenü!) wurde trotz nunmehr verstärkter Besucherströme bestätigt. Das bunte Bosa am Hang unter der alten Festung ist womöglich die hübscheste Stadt auf Sardinien und ein klare Reiseempfehlung, auch für Wiederholungstäter.

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Von Bosa aus setzten wir zum Endspurt, zur Vollendung unseres Rennens um die Insel an. Aberwitzige 24 Meilen bis in die Bucht Porto Conte – wo wir am 01. Mai letzten Jahres von Menorca kommend eintrafen – schrubbten wir in knappen fünf Stunden runter.

Die sardische (eigentlich Griechische) Landschildkröte Testudo herrmanni herrmanni hat eindeutig geschmunzelt, während wir nach dem Kreuzen unseres Kielwassers auf den hart erkämpften zweiten Platz anstießen.

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Galerie Bosa

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Galerie Isola San Pietro

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Galerie Porto Flavia / Pan di Zucchero

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Galerie Cala Domestica

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Tharros & Isola Mal die Ventre

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Galerie Porto Conte

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