Utsira Freitag Nachmittag

Plötzlich Pfingsten auf Insel Utsira

Außer uns liegt an der Gästepier nur ein einsames Motorboot an der hohen Pier von Utsira South, ansonsten ist niemand zu sehen. Ein kurzer Landgang klärt darüber auf, wer Strom nimmt, soll für den ersten Tag umgerechnet 10 € in den Briefkasten werfen, für alle folgenden 5, das wars.

Wir wundern uns nicht mehr. Allerdings wundern wir uns über ein großes Zelt am Kopf der Pier, nur 25 m von uns entfernt, und ein A4-Plakat am Klohäuschen, dass ein Festival „Siradagane“ für die Pfingsttage ankündigt. Pfingsten? Das kommt für uns überraschend, uns ist tatsächlich der Kalender abhandengekommen.

Offenbar sind die Insulaner klammheimlich ins Festzelt eingerückt. Zum Festivalauftakt sorgt ein Stand-up-Comedian für Unterhaltung und gelegentliche Lacher zeugen davon, dass dieser nicht allein im Zelt ist. Diese Veranstaltung klemmen wir uns verständlicherweise. Am Samstag ist das Wetter ruhig und es kommt zeitig Leben auf die Insel. Vorbereitungen für Kinderbespaßung laufen an, Tische mit Kaffee und Kuchen, „Ölzapfhahn“ und Burger- und Pölsergrill werden installiert. Das kleine Hafenbecken hat sich unterdessen mit Motor- und Segelbooten gefüllt und gegen Mittag sind mindestens 200 Leute, also die gesamte Inselpopulation zzgl. ca. 50 Gästen auf den Beinen und ergehen sich in Wettangeln, Krabbenrennen und Kanufahren. Wir mischen uns noch nicht unters Volk, sondern schnallen die Wanderschuhe an und nehmen wiedermal den „Enkelvägen“ durch die Hügel, um Nordutsira zu besichtigen. Der Weg ist arg morastig nach dem ausgiebigen Regen und das teure Schuhwerk kann sich bewähren. Schön sind die Rundblicke von den Hügelkuppen in die Buchten und Fjorde und wir verweilen oft andächtig.

Unterwegs kommt die pfiffige Anke darauf, dass die „tags“ der vielen Graffiti auf der Insel ihr aus Stavanger bekannt vorkommen. Und tatsächlich, die streetarter sind international erfolgreich und gut vernetzt und leben nicht in London, sondern sind auf dieser Insel beheimatet. Verrückt und sehr überraschend, dieser Flecken, der äußerlich anmutet wie das Ende der Welt.

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Auf dem Rückweg stellt sich Vorfreude auf einen fetten Norwegerburger nebst 11 €-Bier ein, doch wir haben es wiedermal nicht mit dem richtigen timing: Burger sind aus, Bierausschank hat Pause, während die Umbauarbeiten für den Samstagshauptact laufen. Eine hübsche dunkelhaarige Inselbewohnerin überredet uns, diesem beizuwohnen. Dies sei die tollste und größte Veranstaltung des Jahres auf Utsira (real typical atmosphere of Utsira!), und viele Leute vom Festland kämen deswegen hierher. Okay, das wollen wir uns nicht entgehen lassen, liegen ja auch nur 1,5 Bootslängen vom Zentrum des Geschehens entfernt. Die 50 € Eintritt pro Nase lassen uns offen gestanden etwas zucken und wir nehmen an, dass dann Getränke und seafood inklusive sein müssen. Werch ein Illtum! Aber man kann ja an jedem Stand mit Karte zahlen. Ungeniert ziehen die Norweger für jedes Bier ihre Kreditkarte durch den Automaten. So hat man am Ende im mer noch sein Bares in der Hosentasche, das Gefühl einen preiswerten Abend verlebt zu haben und verliert prima den Überblick über das Konsumierte. Die ersten Akkorde der Band „Busserulls“ lassen die ca. 300 Zeltinsassen die Arme in die Luft reißen. Textsicher wird ab der ersten Zeile mitgesungen, die Inselschönen schwingen ansehnlich die strammen Hüften und das Ganze kulminiert in einer endlosen Polonaise zu einer Hymne auf das Bier (wenn wir es richtig verstanden haben), in bester Karnevalsmanier. Feiern können sie, die Norweger! Erschöpft von den vielen Eindrücken fallen wir in die Kojen, schon gespannt, was uns am Sonntag erwartet.

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Dieser lässt sich überaus gelassen an. Schwächeln die Wikinger? Die ultimative Pfingstattraktion: Die Gruppe „Vamp“ aus Haugesund! soll bereits um 16:00 open air auf eigens errichteter Bühne auftreten. Unsere Erwartungen sind eher zurückhaltend. Aber es gibt kein Entrinnen. Bis dahin fummeln wir ein bissel am Boot rum. Wir wissen/Ihr wisst: es gibt immer was zu tun. Außerdem steht „Baumschule“ auf dem Plan, d.h. wir spielen die Abläufe des Ausbaumens des Vorsegels durch, sowie des Einholens des Baumes. Das Gerät ist immerhin annähernd 6 m lang und damit ein wenig unhandlich auf einem schwankenden und stampfenden Schiff. Es wird sich alsbald herausstellen, dass sich die Schulstunde gelohnt hat.

Das Eintrittsgeld für „Vamp“ bleibt diesmal in der Tasche. Die Band jedoch ist Klasse, der Sound perfekt. Folkrock, mit keltischen Einflüssen, norwegische Texte, rockig bis balladig, fein musiziert. Das macht Spaß, und so stehen wir bald auf der Schutzmauer der Pier, lauschen und schauen. Es stellt sich heraus, dass die Jungs seit 20 Jahren in Norwegen äußerst erfolgreich sind, mehrfach platinbeschwert und gern an kuriosen Orten auftreten, was ihnen hiermit gelungen wäre.

Und nun? Um 18 Uhr ist einfach Feierabend, Festivalende. Die Utsiraner trollen sich, die Bootfahrer bleiben noch, denn Montag ist auch noch frei, und wir freuen uns, denn so kommen wir zeitig ins Bett. Die morgige Nordseestrecke westwärts auf die Shetland Islands braucht ausgeschlafene Seefahrer, was vermutlich trotzdem schwierig wird, denn wir sind auch aufgeregt vor unserem ersten etwas größeren Schlag, dem letzten auf der Nordsee. Das angekündigte südliche Tief soll die erwünschten östlichen Winde bringen, aber mit frischen Böen bis 30 kn und viel Regen. Um halb 3 wird der Wecker klingeln.

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