Wir freuten uns auf die in dieser Jahreszeit zu erwartende Einsamkeit des Ankerplatzes in der kleinen östlichen Bucht der Isla de Salvora, der nördlichsten der atlantischen Naturschutzinselgruppen Spaniens, und es war tatsächlich nix los. Unser Anker fällt in einer kleinen Lücke zwischen Fischerbojen, vorgelagerten Felsen und dem Ausflugsbootanleger, unmittelbar vor dem Strand. Kurz darauf prescht ein Brite mit baumelndem Anker auf uns zu, rauscht mit nur knapp 2 m Abstand an uns vorbei, wendet und platziert sich knapp 20 m neben uns. Wir wundern uns, denn eigentlich verstehen die von der Insel etwas vom Segeln und Seemannschaft. Meinen Hinweis, dass wir 35 m Kette draußen haben ignoriert die Crew unkommentiert, und uns bleibt nur zu hoffen, dass die Truppe nicht gedenkt, über Nacht dort zu bleiben.
Der Himmel ist nahezu wolkenlos, es herrscht „Kurzehosenwetter“, wie seit Wochen schon. Das Dinghi bringt uns an Land und wir unternehmen die einzige erlaubte Kurzwanderung zum Leuchtturm an der Westküste. Es ist eher ein Spaziergang, durch kuriose Felsformationen und Steinhaufen, als hätten die Inselriesen in Spiellaune mit Felsbrocken gemurmelt. An der Westküste herrscht Flaute, der Atlantikschwell schlappt nur müde und, zu Ankes Leidwesen wenig fotogen, gegen die Felsküste. Sonst gibt’s hier immer und überall unterhaltsame Brandung.
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Als wir zurück kommen lichtet zu unserer Erleichterung der spritzige Segelkamerad mit dem Unionjack am Heck seinen Anker. Nun haben wir dieses hübsche Eiland ganz für uns und aalen uns bis zum Sonnenuntergang ausgiebig am feinen Sandstrand. Wiedermal sind wir im Paradies gestrandet. Nur die Nachtstunden entwickeln sich überraschend unruhig. Entgegen allen Vorhersagen stand der Wind plötzlich statt mit 8 mit 25 kn von Nordost in unserer kleinen Bucht. Und da es am kommenden Vormittag so blieb, freuten wir uns nun wiederum darüber, auf Halbwindkurs geschwind unter stahlblauem Himmel in die Ria Pontevedra, einer brüderlichen Empfehlung folgend, ins 17 sm entfernte Combarro segeln zu können. Dass wir hier unmittelbar vor der neuen schicken Marina neben der Piccolina vor Anker gehen, ist natürlich nur Zufall. Wir verschieben den Landgang, denn Rolf und Steffi werden morgen auf die Isla de Cies aufbrechen, und wir wollen uns doch noch auf das übliche halbe Stündchen treffen und unser Seemannsgarn spinnen.
Die beiden lichteten tatsächlich im Morgengrauen, von uns unbemerkt, den Anker, wir schliefen aus und machen den ganzen nächsten Tag nüscht; liegen nackend in der Sonne, lesen, träumen, gehen nicht an Land. „Tranquilo“ eben, wie der Galizier empfiehlt.
Am Sonntag aber wird gebaut und geputzt. Heimatbesuch steht am Montag an. Und ich hatte mir fest vorgenommen, vor dem ersten Besuch auf FreiKerl die Edelstahlbleche, die ich noch in Leipzig zum Schutz der an den Herd angrenzenden Holzteile habe anfertigen lassen, anzubringen. Keine schöne Arbeit, wie man sich vorstellen kann. Dazu muss der Gasherd raus, alles gründlich gereinigt und entfettet werden. Was wäre das Handwerk ohne Glück: die Bleche passen und bislang hält der 320-Grad-Klebstoff. Gegen Abend ist der Herd wieder drin, FreiKerl aufgeräumt und blitzsauber. Montagfrüh verholen wir uns die 50 m Luftlinie und gehen in die Marina, unternehmen den ersten Combarro-Landgang und stellen die Empfangsgetränke kalt. Livia und Nina wollten für eine Woche der deutschen Herbstgräue entkommen. Wir freuen uns wie Kinder über die kleine Familienzusammenführung mit einer Woche Papa-Kind-Urlaub. (Das hatten wir das letzte Mal vor 9 Jahren in Kuba) Klar sind wir neugierig. Endlich gibt es Heimatnachrichten aus erster Hand. Außerdem fühlte es sich an wie Weihnachten, als die große Roll-Reisetasche Ankes weitgereiste neue Segelhose und meine ebenso weit gereisten Wanderschuhe, (beides hatten wir nach Reykjavik schicken lassen, jedoch der Postmitarbeiter hatte keinen Geografieleistungskurs und die Sachen landeten in Irland statt in Island; trafen aber nach 3-monatiger Ir(r)fahrt wieder beim Absender ein), einen Nachschubstapel Bücher, frische Lebkuchen, eine ungarische Salami und Geschenke für die bevorstehenden Dezemberanlässe ausspuckt, und: meine neue Brille, mit Brillenband mit bananenförmigem gelbem aufblasbaren Schwimmer, (sehr kleidsam am Hinterkopf). Danke an die starken Mädchen für den transeuropäischen „Zimmerservice“, und vor allem an die aufmerksamen Schenker!
Anke ist glücklich über ihre platinfarbene Musto-MPX-Hose. Mit der bereits in Stavanger neu erworbenen Segeljacke in „fireorange“ sieht die Skipperine aus, wie ein verirrtes Skihaserl. Wir hätten jetzt einen kompletten Anzug in Rot, eine floating-Hose in blau (wichtiger Hinweis: der Hersteller empfiehlt den Gebrauch der Hose ausschließlich in Kombination mit der „floating“-Jacke, da man ansonsten Gefahr läuft, kopfüber im Wasser zu treiben …) und eine orange-schwarze Profi-Gummi-Fischerhose in nahezu quadratischem Format günstig abzugeben. Letztere garantiert wasserdicht.
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Heimatbesuch
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Leider kündigen die Wetterfrösche für die Mädelswoche etwas Abkühlung und auch ein paar Schauer an. Aber für ein paar entspannte Tage mit Landgängen im wirklich hübschen, wenn auch etwas touristischen Combarro, einem Ausflug ins überraschend schöne Städtchen Pontevedra, eine Segelrunde durch die gleichnamige Ria und Ankernächte in der Mini-Ria Aldan, mit ausgiebigen herzhaften Schinken-und Käsenaschereien, unzähligen exzellenten Tässchen café con leche und Gläschen vino de la casa waren die Woche samt Wetter perfekt. Es tat gut, auf den neuesten „Heimatstand“ gebracht zu werden und ebenso, einen Teil der aufgestauten Erlebnisse der letzten Monate mitzuteilen, wenn es für die beiden womöglich auch anstrengend war, ständig von unseren Reise- und Segelgeschichten übergossen zu werden. Danke nochmal an Nina und Livia für die wohltuende Woche, es war einfach nur schön! Nach tränenreichem Abschied nutzten wir den Sonntag zu einem Ausflug zum nahe von Pontevedra gelegenen Pazo de Lourizán, einem herrlichen Sommerpalast (leider leerstehend und mit fortschreitenden Verfallserscheinungen) aus dem frühen 19. Jhd., eingebettet in einen riesigen, typisch romantischen Park mit wunderbaren Pflanzen und Gehölzen, vor allem unzähligen, z.T. blühenden Camelienbäumen. Anke musste dringend ein paar Stunden etwas ihres Gartendefizits ausgleichen.
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Combarro Pontevedra Pazo de Lourizan
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Nun ruft auch uns die Isla de Cies, die wohl schönste der atlantischen Naturschutzinseln, vor der letzten Bucht vor Portugal, der Ria de Vigo gelegen. Angemeldet sind wir bereits, haben online das „permit“ für 3 Ankernächte bestellt. Gemütlich segeln wir bis in die weite Ankerbucht vor der östlichen Strandsichel. Auf 7 m fällt der Anker, wir stecken 45 m Kette, der Wind soll auf Ost drehen. Dinghi runter, auf zur ersten Inselerkundung. Eigentlich sind es 3 Inseln, von denen 2 durch einen Strandstreifen im Osten und einen felsigen Damm zum Atlantik hin, wobei beide eine flache Lagune einschließen, verbunden sind. Im Sommer soll hier die Hölle los sein. Im Halbstundenrhythmus legen Passagierboote mit Tagesausflüglern an, auf den Inselzeltplatz passen mindestens 100 Zelte. Jetzt ist alles wie ausgestorben. Ein Ranger wacht über die Insel, außer uns sind hier noch ein polnisches Seglerpärchen und in paar Studenten, die irgendwelche Studien in der Lagune betreiben. Wir erlaufen die erlaubten Ziele, erwandern (mit den neuen Stiefeln!) 2 Gipfel und verlieren uns in der fantastischen Sicht rund umher, stieren und starren, fühlen uns wie die Inselhäuptlinge. Auch wenn der Ostwind FreiKerl am Ankergeschirr zerren lässt und es platscht und schaukelt, wir bleiben 3 Nächte, genießen jede Minute auf diesem großartigen Eiland. Uns wird schweren Herzens klar, dass mit dem Verlassen der Rias die schöne Ankerei und Hausbootzeit vorläufig vorbei sein wird. Die portugiesische Küste ist recht glatt, es gibt kaum Buchten, nur wenige Häfen und nicht alle sind bei jedem Wetter, vor allem bei starkem West, anlaufbar. Aber der Nordwind soll mit mäßigen 15 kn wehen und wird uns flott gen Süden treiben.
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Isla de Cies
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Donnerstag, 10 Uhr, wasserklarer Himmel: Anker auf. Knapp 40 sm bis Viano de Castelo. Genua raus, ausgebaumt. Gegen Mittag stehen 25 kn auf dem Windmesser, und wir fliegen mit durchschnittlich 7 kn südwärts. Wenn die Schiebewelle richtig zupackt und den dicken FreiKerl surfen lässt, stehen auch mal ganz kurz 10,.. kn SOG auf dem Plotter. Das hatten wir noch nie, und so zischen wir kurz entschlossen an Viano vorbei, weitere 35 sm bis Leixoes, 3 sm vor Porto. Unterdessen hat der Wind die lange Atlantikdünung auf 2,5 bis 3 m anwachsen lassen. Natürlich ist es schon lange dunkel und es dauert ein Weilchen, bis wir im Lichtermeer die Ansteuerung ausmachen können. FreiKerl schlingert auf die Hafeneinfahrt zu, die Pinne ist von Anke nicht mehr zu bändigen und ich übernehme. Wir können uns gut vorstellen, dass man bei schmaleren Einfahrten die „Zunge sehr gerade in den Mund nehmen muss“. Da Leixoes der Industriehafen von Porto ist und entsprechend ausgestattet, machten Ansteuerung und Anlegen kein Problem. Um halb 8 sind wir fest. (Am Nachbarsteg liegt die Piccolina …) Was für ein Törn! Allen unseren kleinen und großen Segelgöttern sei gedankt.
Aus unserem obligatorischen Halbstundentreffen wird nix, die beiden wollen früh raus, den günstigen Wind nutzen und overnight nach Lissabon. Aus unerklärlichen Gründen misstrauen sie offenbar unseren 30 Minuten. Nach dem Ausschlafen beschließen wir spontan, die 3 sm weiter in die Marina Douro Porto zu segeln. Dort kann es nur schöner und ruhiger und sauberer sein als hier im geschäftigen Industriehafen. 15 Minuten später müssen wir die Genua schon wieder einrollen und schlingern in die Douromündung, die Marina vor der ersten großen Brücke schon in Sichtweite. Der angefunkte Marinero erwartet uns im Schlauchboot und gibt Leinenhilfe. Einen sehr schönen Seglerhafen haben die Portoenser hier, das Umlegen war eine sehr gute Entscheidung.
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Galerie Isla de Salvora:
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