Porto Santo, Heiliger Hafen im Nordatlantik

Porto Santo, Heiliger Hafen im Nordatlantik

Meine Güte, so landkrank war ich lange nicht. Für ausgewachsene Seebeine, wie die auf dem Rodeo-Ritt hierher gewachsenen, sind fest betonierte Piers vollkommen ungeeignet. Man schlingert über die Pier als hätte man Rasmus um den Opferschluck betrogen, und die Kaikante scheint magisch anzuziehen. Die dem Leben auf der schiefen Ebene geschuldeten ungleich langen Beine machen die Suche nach der geraden Lauflinie nicht leichter, und selbst in der Marinadusche gilt noch am zweiten Landtag: eine Hand zum Sichern, eine Hand zum Waschen. Auf den schwankenden Schwimmpontons fühlt man sich am sichersten. Tohuwabohu im Innenohr. Aber nach drei Tagen ist wieder alles im Lot, beide Beine annähernd gleich lang und bis zur Erde. Der Schlafhaushalt ist auch wieder ausgeglichen.

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Der erste Fahrradausflug führt uns lang durchs Hauptdorf der alten Pirateninsel, die Uferstraße entlang ans andere Ende der 9 km langen Strandsichel. Es ist sonnig, fast sommerlich warm. Der Atlantik gibt mit wundervollsten „Bläuen“ an, protzt mit schaumdurchwobenem Türkis und magisch leuchtendem Nachtblau. Cirren zieren das hochgehängte Himmelsblau. Und auf dem allerfeinsten Sanduhrsand, den angeblich starke Orkane gelegentlich einsaugen und runterspülen, und die unermüdlichen Wellen in den darauffolgenden Wochen wieder zurückschaufeln müssen (find ich gut, wenn sie sich auch mal nützlich machen), also auf diesem goldenen Wandersand, hinter den flachen Dünen, liegen, vorsaisonal nur locker verstreut, nein, keine Belugas. Weiße Menschen. Mit fast nix an!

Porno Santo!

Unser in nördlichen Gefilden, winterlichen Zeiten und vor allem in Marokko hautentwöhnter Blick macht schüchtern erste unbeholfene, verstohlene Sehversuche. Herrrjeh. Manchen Exemplaren des homo sapiens stünde eine Abaya oder Djellabah, oder wenigstens Burkini doch durchaus gut, muss ja nicht schwarz sein. Oder anders herum, sie schonte das Auge und Empfinden, nicht nur des abstinenten Betrachters. Aber so, wie wir schnell wieder den sicheren Landgang erlernten, werden wir uns auch unweigerlich rasch an den Anblick nackten und zuweilen üppig quellenden Fleisches in den Sandmulden der Prajas gewöhnen.

Aber deswegen sind wir nicht hier. Was ist besser geeignet für Inselentdeckungsausflüge als ein Motorroller? Also, zwei Tage rent-a-scooter. Dieses Eiland (nur 12 km lang und 6 km breit) nordöstlich der großen bekannten Madeira-Schwester ist mit 4 vulkankegeligen Bergen gespickt (bis 500 m hoch), von denen man grandiose Rundumaussichten über die Insel auf den Atlantik in alle Himmelsrichtungen hat, und deren Hänge im Inneren überwiegend frisch frühlingsgrün leuchten. An den Küsten im Norden brechen die Berge schroff und zerklüftet ins Meer, im Süden fallen sie seicht ab zum Porno-Strand, an den sich das Hauptdorf Vila Baleira schmiegt. Aufforstungsprogramme versuchen den durch starke Bodenerosion aufgrund vollständiger Abholzung fortgesetzten „Inselschwund“ aufzuhalten. Wir brausen mit dem Roller wie die Teenies von Miradouro zu Miradouro, und jeder Halt ist ein Päuschen wert. Angeblich kann man in 6 Stunden das gesamte Straßennetz der Insel abfahren. Dass uns dies in den zwei ganzen Tagen nur annähernd gelingt liegt nicht daran, dass das Pirateninselchen „Heiliger Hafen“ überraschend gewachsen ist oder die Inselvermesser zu tief ins Madeiraglas geschaut haben, es ist schlicht unserer bevorzugten schneckigen Reisegeschwindigkeit und der äußerst entspannten Lebensart der Insulaner, der wir uns nur zu gern fügen, geschuldet.

Ein paar alte, rot bemützte Windmühlen und ein sehenswertes botanisches Gärtchen mit Vogelpark besuchen wir. Na, und Meister Kolumbus soll hier in jungen Jahren, bevor er Amerika entdecken durfte und noch als Zuckerhändler seine Brötchen verdienen musste, ein Häuschen (selbstredend das heutige Kolumbus-Museum) bewohnt haben. Eine Wanderung führt uns auf den Pico do Castelo, eine weitere entlang der Steilküste an den basaltigen Südostzipfel, von wo man durch einen in den Felsen gehauenen Tunnel auf die Nordseite zu den bizarren Sandsteinformationen und der „hohen Düne“ wechseln kann. Allerorten sind höchst interessante, durch die Erosion säuberlich freigelegte vulkanische Gesteinsschichten in den herrlichsten Erdfarben zu entdecken. Nicht nur ein Geologenparadies.

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Die Dosis aus der – unverständlicher Weise verlotterten – „Quelle der Jugend“ wollte ich diesmal deutlich erhöhen. Die 5 Sturzbecher im Dezember in Monchique an der Algarve haben definitiv – und ich prüfe es täglich – nüscht gebracht, nada.

Zwei Premieren will ich noch erwähnen: Anke muss ein wenig arbeiten und die erste Krankheit, abgesehen von See- und Sehkrankheit, hat sich in Form einer Blasenentzündung bei ihr eingestellt. Nachts aufgestrampelt, oder doch zu lange in die versinkende Sonne starrend auf der abendkühlen Mole gehockt?

Darüber hinaus warten wir wieder und versuchen Rasmus und den Klabautermann zu umgarnen. Wir wissen, wir sind früh dran im Jahr, aber wir sind zuversichtlich. Irgendwann wird er kommen, unser „Bringunszudenazorenwind“. Diese ganztägige Beschäftigung teilen und tauschen wir mit den liebenswerten Stegnachbarn Chantal und André, die, bevor sie Anfang Juni zwecks Enkelbespielung zurück in der Bretagne sein müssen, noch kurz mit ihrem treuen und kampferprobten 9m Bötchen „Gipsy III“ einen Schlenker über den Azorenarchipel ziehen wollen.

Wir sind uns einig, ab Montag sieht es passabel aus.

Porto Santo, adé, ahoi und „obrigado“.

FreiKerl und Gipsy ziehen los, wieder gen Nordwest, wieder am Wind.

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Galerie Porto Santo:

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