Route de Kasbahs, und zurück in die Mausefalle

Route de Kasbahs, und zurück in die Mausefalle

Wie geplant treffen wir Mohamed im Zentrum Zagoras zur Begleichung unserer Schulden für die Überziehung im Wüstencamp. Mahjoub hatte mit ihm noch eine kleine Dattelverkostung für uns im Fachgeschäft seines Vertrauens organisiert. Nunmehr überzeugt von der Köstlichkeit dieses marokkanischen Grundnahrungsmittels und im frisch erworbenen Wissen um seine Nahrhaftigkeit (die Nomaden ernährten sich angeblich viele Tage während der Karawanentrecks durch die Wüste lediglich von Datteln und Kamelmilch) und vielfältigen Heilwirkungen erwarben wir ein Kilo erstklassiger Güte. Und da der Antiquitätenladen zufällig auf dem Weg lag und Mohamed dringend zurück in sein Souvenirgeschäft musste, wurden wir kurzer Hand, natürlich nur zum Schauen, bei Cousin Ismail abgestreift. Dieser musste zu Zeiten, als er noch mit 50 Kamelen in Handelsdingen durch die Wüste zog auf den genialen Trichter gekommen sein, den Tuareg in Mali, den algerischen und auch marokkanischen Berbern und vertriebenen Juden unglaubliche Mengen altes Mobiliar, Teppiche, Wandschmuck und Silberwaren abzuschwatzen und durch den Verkauf dieser Kostbarkeiten an Touristen und reiche Marokkaner zu großem Vermögen gelangt sein. Der kleine Verkaufsvorraum ließ nicht im Ansatz die Ausmaße des sich hinten anschließenden mehrstöckigen Palastes mit zwei fachkundig gestalteten und begrünten Innenhöfen erahnen. Anwesen und Waren des zu tiefst entspannten Kerls, der sich alles andere als ein Bein ausriss, um uns zum Kauf zu animieren, überraschten uns durch ausgesuchten Geschmack, Sauberkeit und Hochwertigkeit. Nach ausgiebiger Begutachtung seiner Schätze, die liebevoll in eher musealer Präsentation als der eines Verkaufsgeschäftes ausgestellt waren, sitzen wir noch ein Weilchen in Ismails Schmuckkabinett beim unausweichlichen Tee beieinander, schwätzen übers Leben vor dem Tode, Ismail knastert genüsslich 2 Tütchen, gickert in sich hinein, und, na klar, ein paar schöne silberne Berberohrringe müssen es dann doch sein, damit alle glücklich voneinander scheiden können. Ja, und größere Dinge, kein Problem, schickt er mit DHL nach D; Bezahlung per Überweisung nach Erhalt der unbeschädigten Ware. Wir hätten hier sofort einen Transporter füllen können. Okay, beim nächsten Mal, inshallah.

Nun erst endet unser Wüstenausflug. Wieder geht’s bergauf, über den grandiosen Antiatlas zur legendären Straße der Kasbahs, von der aus die nördlichen Talstraßen in die Thodra- und Dadesschlucht abzweigen. In den fruchtbaren Talsohlen um die schmalen sich windenden Flussbetten leuchten die erblühten Mandelbäumchen zwischen Palmen und Feigenbäumen vor rostroten Felsen. Die Flüsse haben bis zu 300 m tiefe, bizarr zerklüftete Kerben in die Gebirgsmassive gefräst. Beide Canyons sind überwältigend. Der Sonnenlauf lässt zauberhaft fließende Licht- und Schattenspiele über die gigantischen Felsenwände streichen. Trotzdem reißen wir uns los und fahren zurück auf die Kasbah-Route, die sich zwischen Hohem und Antiatlas durch die Weiten des Vallèe du Dades westwärts Richtung Ouarzazate windet. Auf jedem Hügel, in jedem Flussknie strecken die verlassenen Lehmburgen der Häuptlingsfamilien der Berberstämme ihre Türme bzw. das, was Wind und Wetter von ihnen übrigließen, in den Himmel. Nur wenige sind zu besichtigen, insofern ist der Besuch der Kasbah Amerhidil überaus lohnend und interessant und macht verständlich, dass die reichen Berber die staubigen dunklen strom- und wasserlosen Buden irgendwann ihrem Schicksal überließen und gegen die Bequemlichkeiten moderner Neubauten eingetauscht haben. Übrigens, die vielen verschieden großen Löcher in allen Wänden erklären sich denkbar einfach: man steckt zu den verschiedensten praktischen Zwecken Stöcke oder Balken hinein und erhält somit eine Kleiderstange oder Lampenhalter, Leitersteige oder Zwischenböden, usw.

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Kurz vor Sonnenuntergang stehen wir wieder in Ouarzazate vor der Tür des „Rose Noire“, wo 9 Tage zuvor auf Chefin Jmiaas Initiative hin der Verlauf unseres Wüstentrips bestimmt wurde. Die Wiedersehensfreude ist groß, wir beziehen das schönste Zimmer mit Blick ins Land unter der Dachterrasse und sind gespannt aufs Abendessen, denn Jmiaa eilt ein besonderer Ruf als großartige Köchin voraus. Der Hauptgang Lamm-Tajine ist tatsächlich das Beste, dass uns bisher in Marokko aufgetischt wurde. Zufrieden lächelnd verrät sie uns, dass ihre Großmutter als Köchin am Hofe mit diesem Rezept vor zig Jahren den König entzückt hätte, was wir gerne glauben. Obendrein wird passender marokkanischer Rotwein gereicht. Wir sind hingerissen. Es passt mal wieder alles, Herberge, Leute, Verpflegung, Wetter, Umgebung. Wir müssen verlängern. Statt am kommenden Tag nach Rabat brettern zu müssen, haben wir einen Tag Zeitgutschrift, die wir für den Besuch der Oase Fint sowie des Ksar Ait Benhaddou nutzen, und kommen außerdem in den nochmaligen Genuss Jmiaas königlicher Kochkünste.

Auf der Schotterpiste nach Fint lesen wir – ganz zufällig – einen Anhalter auf, Aziz, Aziz from the Oasis, (angeblich) einer der Häuptlingssöhne, der natürlich alle Zeit der Welt hat und uns stolz, wenn auch nicht kostenlos, durch sein paradiesisches Oasendorf führt und von dem zufriedenen Leben, dass der ehemals aus Mali eingewanderte Stamm hier führen kann, berichtet. Es ist wirklich schön hier in dieser Bilderbuchpalmerie, allerdings sind die Bewohner ziemlich scheu und verhuscht.

Ksar Ait Benhaddou, ein auf einem Hügel wehrhaft angelegtes Oasendorf, dessen UNESCO-Weltkulturerbe-Status den sichtbar fortgeschrittenen Verfall hoffentlich aufhält, erhebt sich trutzig mit seinen vielen imposanten, in die alte Dorfstruktur eingebetteten Kasbahs über einem weitläufig mit Palmen bestandenen Flusslauf. Im Gegensatz zu den rein als Festungsanlage angelegten arabischen Kasbahs dienen die typischen Berber-Kasbahs als herrensitzartige Fluchtburgen für Häuptlingsfamilien, mit 4 Küchen und 4 Schlafräumen für die 4 Frauen, (in den 4 Türmen?) einschließlich Vorratsspeichern, Gebetsraum und Schule für die vielköpfige Kinderschar. Die wenigen kleinen Cafés und zünftigen Herbergen in den schrundigen Lehmgemäuern, mit herrlichen Aussichten über den marod charmanten kleinen Ort und das weite palmenbestandene Tal bis zu den mächtigen Erhebungen der Atlasberge und selbst die zugestaubten Souvenirlädchen sind überraschend leer. Es mag sein, dass ein Teepäuschen nicht in die gerafften Ablaufpläne der Selfiestick und Mundtuch bewehrten asiatischen Turbo-Touristen passt.

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Schon auf der Rückfahrt ins „Rose“ ergreift uns Vorfreude aufs Abendessen. Jmiaas vorzügliches, klassisch marokkanisches Dinner, Couscous mit Huhn, hätte noch 6 weitere ausgehungerte Oasenwanderer sättigen können.

Nach dem Frühstück tun wir es wirklich: wir packen, reißen uns los und brechen auf nach Hause, zum FreiKerl nach Rabat/Salè. Einzige Unterbrechungen sollten ein kurzer Tee-Stopp bei den zipfelbemützten Freunden im Kooperative-Laden gleich um die Ecke sowie der Zigaretten-Liefer-Stopp oben auf dem Tichka-Pass sein. Die grandiose Gebirgslandschaft des Atlas` ist aus der anderen Richtung ebenso faszinierend wie auf dem Hinweg vor 11 Tagen und zwingt uns zu weit mehr als nur 2 Stopps. Längst flüstern wir uns in Ermangelung angemessener Adjektive unser in Island oft bemühtes „krass!“ zu. Oben auf dem Tizi N`Tichka übergeben wir unter aufrichtigem „welcome“ die auf dem Hinweg versprochenen Zigarettenpackungen, bekommen erstklassigen Kaffee serviert und von „Schnucki“ einen silbernen Berberkompass geschenkt, auf dass wir uns nie verirren mögen.

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Um 8 am Abend empfängt uns nach 16 Tagen Landurlaub wieder FreiKerls gemütlicher Salon. Louis und Annick von der gegenüberliegenden „Charly“ haben bestens auf ihn achtgegeben, erwarten uns mit einer Flasche Wein und Ungeduld, um 3 Tage nach unseren begeisterten Berichten unseren Empfehlungen folgend zur gleichen Runde durch den marokkanischen Süden aufzubrechen.

Unterdessen sind 2 knapp Wochen vergangen. Wir warten. Entweder auf Winde, die nicht aus West oder Südwest wehen in Verbindung mit Wellenhöhen unter 2 m, damit der Hafen geöffnet wird. Seit Wochen trat hier nichts von beidem ein. Der große Cornell-Atlas der Ozeane verzeichnet für diese Gegend für März und April vorherrschend moderate nördliche und östliche Winde. Doch das Wetter schert sich weder um Segelguru old Jimmy Cornell noch um die Statistik der letzten 20 Jahre. In Kette wiederholen sich die Abläufe der sehr weit südlich verlaufenden Atlantiktiefs. Seit Wochen schon schieben die kräftigen Westwinde täglich satte Regenwolken aufs Festland und machen die Hafeneinfahrt wegen sich meterhoch brechenden Wellen unpassierbar. Die Mausefalle hat zugeschnappt.

Aber es gibt üblere Plätze auf Erden zum Verweilen. Und da für die nächsten 8 Tage keine Änderung in Sicht ist, verschwinden wir morgen für 4 Tage nach Essaouira und Tafraoute. Wir wissen, es gibt wahrlich Schlimmeres.

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Galerie Todraschlucht:

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Galerie Daesschlucht:

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Galerie Antiatlas & Route der Kasbahs:

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Galerie Oase  Fint & Ait Benhaddou:

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