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Oh, Moon of Aladdaya

Nun sind es schon drei volle Monde, die über unseren beschaulichen Liegeplatz am Hammerkopf des Gästesteges in der zauberhaften Addaya-Marina gestrichen sind. Vierzig Meter gegenüber erhebt sich ein grünes Hügelinselchen und bietet besten Schutz gegen die Nordostwinde des menorquinischen Winters. Es ist entrückt schön.

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Manche meinen es wäre mausetot. Ein mediterranes Urlauberdorf, saison- und pandemiebedingt verwaist, in skandinavisch anmutender Fjordidylle.  Unter den gegebenen Bedingungen der perfekte Ort für unseren coronesken Winterschlaf. Das letzte Restaurant schloss seine Pforten mangels Kundschaft nach Weihnachten. Der nächste Supermarkt ist fünfzehn Kilometer entfernt. Tagsüber werkeln zuweilen ein paar Einheimische an ihren Booten herum.

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Die Nächte gehören uns ganz allein. Bei Windstille ist es schmerzhaft ruhig. Man horcht verzweifelt in die Stille und freut sich, wenn eine Nachtbrise wenigstens ein paar kleine Kräuselwellen gegen den Rumpf plätschern lässt. Manchmal quietscht auch der „Schaukelvogel“ irgendwo in den Baumwipfeln. Uns ornithologisch Unbewanderten gelang mittels der nützlichen Erfindung einer Vögel-App herauszufinden, dass es der unermüdliche Ruf der Zwergohreule ist, der so verblüffend der mangelhaft geölten Kinderschaukel in unserem Leipziger Garten gleicht. Den erwachenden Tag vermelden als Erste unüberhörbar unsere beiden Hausmöven gegenüber, woraufhin die übrigen Kollegen auf den Felsen umher typisch meckernd einstimmen. Graureiher und Kormoran setzen auch noch einen krächzenden Guten-Morgen-Gruß ab. Nach ein paar Minuten zieht wieder Ruhe ein am Teich. Dann geht noch ein Stündchen …

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Unsere Sozialkontakte beschränken sich auf knappe Grußwechsel mit den nichtenglischsprechenden Marineros sowie einen täglichen Plausch mit den Hafenmeisterinnen. Es stellte sich heraus, dass ihre Vornamen Mari&Juana, die wir schmunzelnd auf den Liegeplatzpapieren lasen, doch keinerlei Hinweise für einen gewissen Nebenverdienst bedeuten. Es gibt doch wunderbare Zufälle. Darüber hinaus taucht immer mal ein britisches älteres Ehepaar auf, um für ein paar Tage auf ihrem betagten alten Motorboot ein wenig Seeluft zu schnuppern. Die beiden sind immer guter Dinge, gut zu hören und guter unterwegs. Seitdem wir Cathy eines Nachts nach einem Sturz von der Gangway aus dem kalten Hafenwasser gerettet haben sind wir befreundet, was uns unterdessen zu vielen durchlachten Stunden im Zeichen der deutsch-britischen Freundschaft verhalf.

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Und abgesehen von den eigenen Bastelprojekten, die nun, da die letzten größeren Baustellen – u.a. Wechseln der Abwasserschläuche (Boah!), Reparatur des Boilers – abgeschlossen sind, allmählich ausgefeilter und spezieller werden, sieht man auch bei den unbewohnten Nachbarn nach dem rechten, schließt hier eine offene Luke, dort ein Fensterchen, verzurrt eine schlagenden Großbaum oder richtet eine Planke, die sich zwischen Steg und Heck verkeilt hat. Langweilig ist es nie. Und wenn mangelnder Platz für weitere Steckdosen, Lichtleisten, Messinghaken und andere hilfreiche Ergänzungen knapp wird entdeckt man die weite Welt des Spleißens, womit man auf einem Boot wie unserem sehr viel Zeit verbringen kann. Auch eine üppige Kollektion von Leinenschäkeln in allen Größen und Farben ist über den hohen Gebrauchswert hinaus äußerst dekorativ.

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So unfassbar schön und entspannt es hier auch ist, aber wir sind tatsächlich am A… der Welt. Nicht nur für notwendige Besorgungen benötigt man ein Auto, es verschafft uns auch den vollständigen Aktionsradius für Unternehmungen auf der Insel. Mietwagenpreise, die wir nicht ausschlagen können überreden uns zu monatlichen Mietzeiten. Nunmehr ist es endgültig komfortabel. Die Insel gehört uns. Anke plant liebevoll die Wanderrouten, und die unbeschrittenen Abschnitte des Küstenrundwegs nehmen synchron zu den Profilen unserer Wanderschuhe ab. Die schon farblich sehr verschiedenen Zonen und Profile des Inselgesteins sind verblüffend und machen neugierig. Ganz nach Laune können wir uns für einen Gang in der weißen Südhälfte oder im roten oder schwarzen Menorca, die sich die raue Nordhälfte teilen, entscheiden. Dass ich mich an Steine und Gesteine mal unser Interesse wecken und uns erfreuen überrascht uns selbst. Womöglich ist es dem Luxus viel Zeit zu haben geschuldet.

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Die Vegetation im Norden ist karg und windgebeugt, ansonsten ist es auch im Winter überall grün, irgendwas blüht immer. Hinter jeder Biegung duftet es anders und ständig ist man an den heimatlichen Kräutergarten erinnert. Eine Zuordnung der diversen Düfte geht bei mir jedoch nicht über Rosmarin und Minze hinaus.

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Schon Mitte der Neunziger Jahre erhielt Menorca den Satus eines UNESCO-Biosphärenreservates. Entsprechend behutsam ist man hier mit der Natur umgegangen und hat – bis auf wenige Ausnahmen – unansehnliche Urlauberbetonburgen und damit auch den Massentourismus verhindert.

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Weihnachten 2020

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Neue Heimat Addaya …

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ehem. Steinbruch Santa Ponza

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