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Menorca. Winteralbum

Unterdessen sind wir uns der Gefahr bewusst, dass auch in dieser – wie in vielen anderen wundervollen Ecken und Buchten dieser Welt – Kobolde und Klabautermänner*innen ihren Schabernack treiben und Pläne vereiteln, Kompasse orientierungslos kreiseln lassen, oder aber Tore vor Mündungen idyllischer Naturhäfen, wie die vom Puerto Addaya verbarrikadieren. Tobias, einst in Kenia geboren, jahrzehntelang weitgereist und welterfahren, berichtete in lebhaften Farben von dem Tag vor 15 Jahren, ab dem er das Inselchen nicht mehr verlassen konnte und gezwungen war, sich auf seinem Boot im rückwärtigen Teil des Fjords und abwechselnd in einem seiner 2 fahruntüchtigen Bullis in seiner unerschlossenen 13-ha-Wildnis im Inselsüden einzurichten.

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Wir erkennen ihn unschwer an seinem eigentümlichen Dinghi, mit dem er mehrfach pro Woche zu seinem kleinen Segler schleicht, stets bester Laune, weise lächelnd und immer erfreut über ein kleinen Schnack am Heck unseres Bootes. Gestern verriet er uns den wesentlichen Unterschied zum Leben auf dem Festland: vor eineinhalb Jahren fand ein Yoga-Kurs eines populären amerikanischen Meisters in Mahon statt. Fast alle Teilnehmer kamen aus Barcelona oder Madrid, und die meisten benötigten mehrere Tage um „herunter“ zu kommen, zu entspannen. Er wiederum benötigte ebenso lange, jedoch um „hoch“ zu fahren, sich an den plötzlichen Stress zu gewöhnen. Ja, das können wir uns sehr gut vorstellen. Die Menorquiner lieben und pflegen ihre auffällig entspannte Gangart, die auch gegen Geld nicht zu beschleunigen ist. Für uns heißt es wachsam zu sein, unser Tempo zu kontrollieren und regelmäßig einen Blick Richtung Fjordeingang zu werfen.

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Dass sich in so ruhigen, zuweilen einsamen Zeiten die Wahrnehmung ändert, sich die Sinne schärfen, ist ein alter Hut. So kamen auch wir nicht umhin sehr neugierig und aufmerksam die Natur um uns herum zu betrachten und weit mehr Fragen zu stellen als unter normalen Umständen. Seitdem begleitet uns bei jedem Landgang der dicke Naturführer der Mittelmeerflora. Wir fachsimpeln bei jeder Gelegenheit mit den ortsansässigen Experten über die „catches of the day“ hinaus, zumal in unserer Bucht regelmäßig das Wasser schäumt, Fische in Riesensprüngen vor den Barracuda-Schwärmen fliehen, sich auch einmal ein großer Thümmler bei der Jagd auf `s Nachtmahl in die Marina verirrt. Die täglichen Besuche eines Stockentenpärchens, dem immer drei stänkernde, halbstarke Erpel folgen um der stolzen Entin nachzustellen, sind lieb gewonnene Abwechslung, ebenso ein kurzer Wortwechsel mit unseren faulen Hausmöven gegenüber. Seit die Winter stetig wärmer werden reisen die Flamingos nicht weiter gen Süden. Die Flamingo-Kolonie, die sie sich nun mit grauen und weißen Reihern und anderen Alteingesessenen wie Sturmtauchern, Blässhühnern und Kormoranen die seichten Wasser der alten Salinen am Ende der Bucht teilt, lockt uns des Öfteren mit Kamera und Fernglas nach unseren Freunden zu sehen. Zu weiterer Abwechslung und Bewegung verhilft uns unser blauer Pfeil, ein 2er Hybrid-Kayak (Nortik Scubi 2 XL), dass sich großartig paddeln und steuern lässt, sehr leicht ist und sich klein genug packen lässt, um es problemlos auf dem Vorschiff hinter dem Dinghi zu stauen. Zudem schürfen die Paddelausflüge hier im Fjord tief in den Niederungen fast verschütteter Erinnerungen an die Touren auf Mecklenburgs Seen und Flüßchen im altbewährten RZ 85 aus Pouch.

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Unsere Vogelfreunde

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In diesem typisch menorquinischem Tempo verbrachten wir die Wintermonate. Ankes Spleißarbeiten nahmen bald professionelle Formen an. Alle unsere Leinen sehen nun vorbildlich aus und Freunde und Segelkollegen werden vortrefflich mit Leinenschäkeln, Affenfäusten und anderem Spleißwerk versorgt.

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Da es auf Booten außerdem immer etwas zu tun gibt, fand sich genügend Zeit, die meisten Punkte unserer oszillierenden todo-list abzuarbeiten. Hilfreich war, dass normaler Paketverkehr von Deutschland nur eine knappe Woche benötigt und hier schwer erhältliche Ware somit recht schnell verfügbar war. Darüber hinaus erwanderten wir mit nicht nachlassender Begeisterung noch immer die Komplettierung des so abwechslungsreichen, inselumrundenden „Pferde-Pfades“. Zünftiger Höhepunkt war ein zweistündiger Ritt auf echten Pferden auf diesem historischen Weg quer durchs Gelände bis in eine der karibisch schönen Südbuchten, was ganz lautstark nach einer Fortführung ruft.

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Aber wie schon zu erahnen und im Osterbeitrag angedeutet: der einbrechende Frühling bringt zunehmend Leben in die verschlafene Marina Addaya.
Und dann, nach Ostern, kamen noch mehr Leute, Menschen, Touristen. Sprechen, austauschen, lachen, mit Fremden. Nette Menschen, neugierig, offen, freundlich. Folgerichtig rührten wir nach der Osterpaella gleich ein deutsches Steg-BBQ ein. Da waren es schon 14, vom Haushalt Pantalon3. Was für ein Vergnügen. Ehrliche Thüringer und Nürnberger Würste mischten sich mit köstlichen menorquinischen Spießchen, auf üppigem Fundament von erstklassigem homemade-Kartoffelsalat, garniert mit allerlei kleinen kulinarischen Zugaben der verschiedenen Teilnehmer. Auch ohne die fest eingeplanten Barracudas, Thunas und Seeteufel, die die angelbegeisterten Überraschungsgäste aus Leipzig, Matthias und Jörg, zugesichert hatten.

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Hafenleben

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Die beiden haben es einfach getan, allem Aufwand zu Trotz: getestet, Flüge gebucht und raus aus Grau-Deutschland, und waren die ersten deutschsprachigen Besucher auf dem Bötchen.
Ganz sicher war uns auch in diesem Fall das Glück hold, dass die plötzlich entstandene kleine Steggemeinschaft sich so wunderbar verstand und versteht. So sehr, dass genau abzusehen ist, wie schwer die nahenden Abschiede fallen werden.

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Unterwegs in Mao:

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unterwegs an der Ostküste

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