Kuxhaven – Kanal – Kiel – Kloster

Kuxhaven – Kanal – Kiel – Kloster

Leicht angeschlagen wackeln wir am späteren Samstagnachmittag über die Stege, melden uns im Hafenbüro an und wackeln wieder zurück. Die Umstände, wieder zurück zu sein in deutschem Telefonnetz sowie der leidlich erholte Ladestand unserer „Akkus“ bringen uns kurzer Hand auf die Idee, die verbleibenden Stunden der Nachbereitung unseres Hochzeitstagessens zu widmen. Seit 16 Monaten klimpern in einer der Backskisten 2 Gläser Rehbraten (selbst in Leipzig eingekocht) gegen 2 Gläser Rotkraut (selbst im Supermarkt gekauft) und harren der Zusammenführung. Zwei zerknautschte Schachteln Kloßmehl finden sich auch noch. Alles „Linien-Ware“ sozusagen, der Festtagsschmaus kann nur gelingen.

Nach dem Klarschiffmachen reicht die Zeit nur noch für einen kurzen Sonntagslandgang zur Erkundung der hafennahen Umgebung, und am Nachmittag besuchen uns liebe Freunde auf dem Boot. Das Wiedersehen mit Christine und Ida, die ihren Lebensmittelpunkt vor zweieinhalb Jahren von Leipzig nach Hamburg verholt haben, vermittelte einen süßen Vorgeschmack auf `s „Nachhausekommen“. Genau diese Sehnsüchte nach Freunden und Familie haben sich in den letzten Monaten verstärkt. Die Dichte der Ereignisse, die sich mit jedem Ortswechsel ändernden Naturerlebnisse und Entdeckungen, und ständig neue, oft wunderbare Begegnungen mit interessanten und neugierigen Menschen aus aller Welt, all dass kann eine Zeitlang erfüllen und alle Nerven besetzen, aber niemals die Kontakte zu den Lieben und Vertrauten daheim und den muttersprachlichen Austausch mit ihnen ersetzen. Klar war der Nachmittag viel zu kurz um sich auf die neuesten Stände zu bringen, aber der Anfang der „Heimkehr“ war gemacht.

Aber bevor wir die Heimkehr weiter vorantreiben, bleiben wir noch unterwegs auf den touristischen Pfaden Cuxhavens. Die „Alte Liebe“, eine Pier, von der aus man den vorbeibrummelnden Ozeanriesen nachträumen und dazu versonnen den erklärenden Worten des Schiffsansagedienstes lauschen kann; der „Kai der Tränen“ im alten Amerika-Hafen „Steubenhöft“ mit aufschlussreicher Ausstellung zu den Auswanderungen nach New York und Boston sowie der wechselvollen Geschichte der deutschen Passagierschifffahrt im kriegsgebeutelten 20.Jhd. und der wacker in Betrieb gehaltene Windsemaphor, eine weithin sichtbare, natürlich rein mechanische Stahlapparatur, die seit über 100 Jahren den auslaufenden Schiffen Windrichtung und -stärke in der deutschen Bucht, speziell für Helgoland (H) und Borkum(B) anzeigt, sind die Höhepunkte, die sich lohnen an einem „Wandertag“ anzusehen.

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Doch nun zieht es uns, nach Brunsbüttel, in den Kanal, der uns aus der Nordsee in die Ostsee, ins tidenfreie, nahezu süße Ostseewasser, ins wahre Heimatrevier bringt. Wir segeln entspannt nur unter Genua auf der Ostseite des Hamburg-Fahrwassers bis zum Vorhafen der Schleuse, warten noch kurz im Strom, schleusen durch, und tuckern schon 20 Minuten später brav an der Kanalkante nach Osten. Uns überrascht, wie wenig hier los ist, denn der NOK rühmt sich, der verkehrsreichste künstliche Wasserweg der Welt zu sein. Aber wir wissen ja um die Eigenheiten und Eitelkeiten der Superlative. Kurz nach sechs biegen wir nach etwa halber Kanal-Strecke in den Gieselau-Kanal ein, in dem wir vor der kleinen Seiten-Schleuse ein sehr ruhiges und naturidyllisches Schlafplätzchen und erholsame Nachtruhe finden.

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Die Kanalufer sind fast durchgehend üppig grün und dicht bewachsen und von Radwegen gesäumt. Außer bei Rendsburg zeigen sich nur selten ein paar Häuser oder kleinere Ortschaften. Die kreuzenden Pendelfähren gewähren auch uns die Vorfahrt und ab und an starren wir ehrfurchtsvoll auf beeindruckende stählerne Brückenbauwerke in mehr 40 m über uns. Am Mittwochnachmittag haben wir die 55 sm hinter uns, schleusen in Kiel-Holtenau aus und begeben uns direkt gegenüber in die Marina Möltenort. Wir sind dort verabredet. „Heimkehr“ – Fortsetzung. Frank winkt schon von der Mole und dirigiert uns in die von ihm organisierte und einzige freie Box. Das „Hallo“ ist groß und laut und alle Erinnerungen an die gemeinsamen Landabenteuer auf den Färöern vor über einem Jahr sind schlagartig erwacht. Kaum an Bord, nestelt der wie immer gut präparierte alte Salzbuckel zwei wohl temperierte Begrüßungs- und Anlegebiere sowie eine Dose „Strongbow“ für Anke aus der Umhänge-Kühltasche. Den kuriosen Umstand, dass Franks Frau vor vielen Jahren mit unserem Vater zusammengearbeitet hat, hatten wir bereits in einer der langen hellen feuchten Torshavn-Nächte herausgearbeitet. Und nun, im lauschigen Garteneck, mit Blick auf den Hafen und die Kieler Förde, bei deutschem Grillfleisch und gutem französischen Tropfen fand diese wundersame „Urlaubsbekanntschaft“ eine wundervolle Fortsetzung. Zuweilen ist die Welt auch zu Hause klein. Und weil es so schön und der Tag komplett verregnet ist, bleiben wir noch einen Tag. Ja, verlängern können wir. Aber nur so konnte sich die gute Gelegenheit ergeben, am Abend die gesamte Familie einschließlich Sohn und rotem Kater an Bord begrüßen zu können.

Die Wiedersehensfreude mit Frank war groß

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Aber es kündigt sich an, dass der Nordwest, unser „Heimbringewind“ alsbald auf Ost abdrehen wird. Klares Zeichen zum Aufbruch. Wir winden uns aus dem engen Hafen, jockeln faul aus der Förde. Übernachten in Heiligenhafen? Nee. Es läuft wiedermal so gut, und wir sind ausgeruht. Also Kursänderung nördlich Fehmarn herum. Stopp in Gedser? Doch noch einmal eine Gastlandflagge heißen? Nee. Der Übermut treibt uns bei einsetzender Dunkelheit in die Kadettrinne, da wir beschlossen haben Gedser links liegen zu lassen und nach Kloster durchzufahren. Übermut ist wahrhaftig ein elender Ratgeber. Der Verkehr hier fühlt sich an wie vor Rotterdam und Antwerpen zusammen, als hätten man uns mit einem Bobby-Car auf der A9 ausgesetzt. Hakenschlagend weichen wir mindestens einem Dutzend dicken Brummern aus, die tatsächlich kein halbes Grad ihres Kurses ändern. Der besseren Erkennbarkeit wegen „Motorsegeln wir“ und lassen das Deckslicht in die Segel leuchten. Das mag seemännisch nicht korrekt sein, beruhigte aber vorrübergehend ein wenig die sirrenden Nerven. Gegen 2 sind wir dann durch das Dickste durch, scheint es. Kleine Verschnaufpause. Da fragt mich Anke nach dem stetig wachsenden Lichtgebilde hinter uns. Auf dem Plotter ist nix zu sehen. Ich bin leichtfertig der irrigen Meinung, das geht uns nüscht an. Für die immer unter dem Radar fliegenden Boote der Küstenwache ist das, was sich da – nun auch schon deutlich vernehmbar – auf uns zubewegt, viel zu groß. Ein Kriegsschiff? Mit dieser eigentümlichen Lichterführung? Etwa 300 m hinter unserem Heck schiebt sich ein ausgewachsener Frachter vorbei. Erst atmen wir tief durch, dann auf, und finden nun Zeit, die Fachliteratur zu befragen: die 3 roten Lichter übereinander stehen für ein tiefgangbehindertes Fahrzeug. Okay, besonders wendig konnte der sich hier in der Rinne verständlicher Weise nicht zeigen. Gleichwohl, warum zum Teufel inkognito?

Der erwachende Tag bringt dann endlich entspanntes Segeln mit sich. Hiddensee erhebt sich aus dem Wasser, der Dornbusch-Leuchtturm wächst allmählich im Gegenlicht und leuchtet bald weiß in der Vormittagssonne. Segelei in der sich windenden schmalen Hiddenseerinne klemmen wir uns in der letzten halben Stunde. Im geliebten Kloster gehen wir wieder ganz vorn an die Hauptpier, wo wir uns vor 486 Tagen aus Deutschland verabschiedet haben, längs. Nur 35 sm bis Greifswald. Wir kommen nicht umhin, müssen uns wieder mal kneifen.

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Hallo Hiddensee!

Galerie Cuxhaven:

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Galerie Nord-Ostsee-Kanal:

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Galerie Heikendorf, Überfahrt nach Kloster:

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