Ich muss vorausschicken, dass Rom – wenn man so etwas nach einem nur 9-tägigen Besuch vor 15 Jahren überhaupt sagen kann – die Großstadt in Europa ist, die mich am meisten begeistert hat. Dementsprechend groß waren meine Vorfreude und Erwartungen aufs Wiedersehen.
Unser Schiffchen haben wir nun liebevoll vertäut und, in ein Dreier-Päckchen längs der schmalen hölzerner Pier gekuschelt, der Obhut von Katia und Fabio in der hübschen kleinen CS-Marina anvertraut. Abgesehen davon, dass dieser kurze Seitenarm des Tiber uns an heimische Brandenburger Havelgewässer erinnert, Madrugadas Unterkunft hier preiswert und sicher ist, liegt der Flughafen nahe und ist einfach zu erreichen.
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Den klassischen Mittelmeer-Urlaubsmonat August, in dem es hier unerträglich voll, heiß und teuer ist, werden wir in Deutschland verbringen und nach unserer Rückkehr noch ein paar Wochen Rom und Umgebung unsicher machen sowie Freunde treffen.
Unser Mitbringsel aus der Heimat ist zum zweiten Mal in diesem Jahr eine C19-Infektion, mit deren Nachwirkungen wir uns noch ein paar Tage nach unserer Rückkehr herumplagen. Sollte uns das irgendetwas sagen?
Außer in eine Pizzeria führt uns der erste Ausflug naheliegender Weise nach Ostia Antica, der einst wichtigsten Hafenstadt des antiken Roms. Das antike Ostia ist eine riesige Ausgrabungsstätte einer kompletten Stadt, die in ihrer Blütezeit vor 2000 Jahren fast 100.000 Menschen bewohnten und die zu durchwandern schon ein paar Stunden in Anspruch nehmen kann. Leichtsinnigerweise sind wir mit unseren Rädern die fünf Kilometer dorthin gefahren, und ohne Übertreibung: Wir brauchten eine halbe Stunde, um die Aufregung zu verdauen und spendeten zwei Kerzen, dass wir diesen kurzen Ausflug überlebt haben. Keine Fahrradwege. Keine Fußwege. Schmale mehrspurige Straßen. Völlig irre italienische Autofahrer. Entweder glotzen sie nur auf ihre Handys oder es ist eine Art Volkssport, so wenig Luft wie möglich zwischen Autospiegel und Fahrradlenker zu lassen und das bei maximal möglichem Tempo. Aber unsere Schutzengel haben wieder einen guten Job gemacht und nach unversehrt überstandener Rückkehr lieben wir das Leben umso mehr und haben einen guten Grund, dieses z.B. mit einem Aquavite entsprechend zu würdigen. (Ein Eau de vie tuts auch.)
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Galerie Ostia Antica
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Auch um unsere Segelfreunde Cath und David, die ihr Boot über den Sommer im Tiber-Nachbararm liegen hatten und nun zurück an Bord sind, zu besuchen, schwingen wir uns wieder todesmutig auf unsere Räder, höchst erfreut, sie nach zwei Jahren – in denen wir mehrfach umeinander segelten – wieder zu treffen und uns endlich auf unsere jeweiligen aktuellen Stände hinsichtlich Gott und der Welt zu bringen.
Außerdem haben wir das große Glück, dass wir mit einer Freundin aus Leipzig, die nun schon seit zehn Jahren der Liebe wegen in Rom und Ostia lebt, eine Kennerin der Gegend, der Gepflogenheiten und Sehenswürdigkeiten haben. Und obendrein hat sie ein sicheres Auto, einen Wachhund und Zeit. Besser geht es nicht. Danke liebe Sali!
Oder doch? Flavio, der Römer, kommt. Unser guter Freund aus Barcelona verbindet einen Besuch bei seiner Familie damit, uns zu treffen, und wir haben wieder eine wunderbare Zeit, diesmal in seiner Heimatstadt.
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Welch ein Luxus wieder mal. Auch in der Hinsicht, dass die einzige zeitliche Limitierung für unseren Rom-Aufenthalt die Verabredung mit Ankes Neffen Arne und dessen Freundin in Sardinien am 11. Oktober ist. So können wir die verbleibenden Tage für Besuche der Galeria Borghese, des Palazzo Valentini und des Örtchens Tivoli mit der Villa D`Este und nutzen, aber auch ziellos durch die ewige Stadt schlendern und uns überraschen lassen. Ich erspare mir die Hymnen, die anzustimmen angemessen wären. Ankes Fotos werden hoffentlich einen kleinen Eindruck von diesen unglaublichen Orten und Kunst- und Architekturschätzen vermitteln.
(Für Interessierte, z.B.: https://www.museos.com/de/rom/tivoli-rom-villa-d-este/)
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Aber auch in unserer kleinen Marina wird es nicht langweilig. Das Personal ist freundlich, die Bootsnachbarn neugierig und drei Boote vor uns wohnt Stephen aus London und schlägt sich mit diversen Bootsbauproblemen herum. Stephen ist trotzdem immer guter Dinge und gehört ebenfalls zu den erfrischend unkomplizierten und humorvollen Zeitgenossen. Er pendelt zwischen London und Rom, wo er wohl bereits vor über zwanzig Jahren den einen oder anderen Anker hat fallen lassen. Auch er kennt sich gut aus, kennt die spezielle Mentalität der Römer, spricht fließend italienisch und hat zwei Autos in Ostia. Eins für wochentags und einen originalen, recht gut restaurierten 40 Jahre alten Fiat cinquecento für die Wochenenden und besondere Anlässe. Und es ist tatsächlich ein besonderer Anlass, aus dem wir uns zu dritt in diese Mini-Blechdose quetschen, um zu den örtlichen Carabinieri zu fahren. Flavio hat immer geraten: schließ immer alles an. Du bist in Italien! Leider reicht das nicht immer. Ostianische langfingrige Kleinkriminelle haben am vorletzten Tag unsere geliebten Falträder geklaut. Beide vorbildlich aneinander angeschlossen, genau gegenüber der Eingangstür zu einem großen Supermarkt. Selbst schuld könnte man sagen. Denn all der sich anschließende Ärger (mit ungewissem Ausgang) nur, weil ich vor der Überfahrt nach Sardinien noch einmal Lieblingskekse (sie machen wirklich sensationell gute Kekse) nachbunkern wollte. Höchstens zehn Minuten hats gedauert. Klar gibt’s Überwachungskameras. Die, die genau diesen Platz abdecken, sind Attrappen. Haha. Und die andere filmt nur den Eingang zum Markt.
Stephen bringt uns im 500er Winzling in roman style (er hat schon keine Außenspiegel mehr) zur Polizei, und er dolmetscht mit den Uniformierten das Ganze auch. Englisch zu sprechen ist vollkommen unüblich abseits der Touristenpfade, und unser italienisch ist noch zu rudimentär für solche Erklärungen. Danke Stephen!
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So hängen über der so großartigen Zeit in Rom zwei dicke Wermutstropfen in Form leerer Fahrradverstautaschen und die betrübliche Aussicht, vorerst nicht mehr so beweglich zu sein.
Aber dann folgen unweigerlich die Abschiede und – auch wie immer – Wiedersehensversprechen, unter Vorbehalt. Na, wer weiß.
Am 5. Oktober geht’s endlich wieder raus, mit Vorfreude auf Sardinien in der Nachsaison, auf die Freiheit beim Ankern und auf Besuch an Bord. Nach 27 Stunden, die das komplette Programm zwischen Motoren und Gennakersegeln boten, mit ausgiebiger Delfinbegleitung und wieder Schnuppenregen aus dem Sternenhimmel, fällt der Anker in der Cala Sabina, ein paar Meilen nördlich von Olbia. Zurück im Paradies.
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Galerie ROMA
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Galerie Villa Adriana
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Galerie Villa d’Este
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Galerie Galleria Borghese
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