IMG_8695

Endless Summer

.

.

Als wir vor zwei Jahren in unser Mittelmeer-Seglerleben starteten landeten wir nach unserer ersten Ausfahrt auf die Balearen im Altstadthafen von Ciutadella. Neben uns lag ein eher kleiner Katamaran mit australischer Flagge, auf dessen Heck der Name Endless Summer prangte. Und daran musste ich nun denken. Wie wahr. Genau das trifft es, genau so fühlt es sich an: Es ist fast Mitte Oktober, es ist immer sonnig, sommerlich und die sardischen Badewannenbuchten sind immer noch einladend warm. Da wir überall fast allein sind, ist es manchmal schwer zu entscheiden, in welche der schönsten Flecken und Ecken in den Calas und Golfos wir den Anker werfen.

.

.

Da der meteorologische Verlauf bekanntermaßen nur bedingt planbar ist, man Wetter nehmen muss, wie es eben kommt, fühlen wir uns mit diesem Herbst außerordentlich beschenkt. Natürlich ist die Saison auch hier vorbei, die meisten Restaurants und Lebensmittelgeschäfte – zumindest in den touristischen Küstenregionen – sind geschlossen, was zuweilen einen höheren Aufwand oder vorausschauendere Fahrweise bei der Planung der Stopps bedeutet. Aber wenn es weiter nichts ist?

Der Kalender zeigt den letzten Novembertag an. D.h., wir haben seit unserer Rückkehr aus Ostia bis auf die letzte Woche durchgehend spätsommerliche Bedingungen, können sonnen, baden, wandern und uns dem Müßiggang hingeben nach Herzens Lust und das alles in paradiesischer Umgebung, und vollkommen ungestört. Wohin wir auch kommen, überrascht uns die Insel mit hinreißender Landschaft. Allein die Düfte der Holzfeuer an den Hängen und die immer wieder irritierende Leere erinnert an die herbstliche Jahreszeit.

Zu vermelden gibt es aus dieser Zeit vor allem eine vergnügliche Woche mit Familienanschluss, in der Arne und Linda erstmals ihre Nasen in den mediterranen Segelwind hielten. Nach ihrem Abschied können wir dem anhaltend ruhigen Spätsommerwetter nicht widerstehen und kehren nochmals in den Norden zurück. Mit ein paar Tagen in La Maddalena, zwei einsamen Ankernächten in der verzauberten Budelli-Lagune und einem Sprung in die Mitte der berüchtigten Straße von Bonifacio in das schönste Ankerbüchtchen der bizarren Steinhaufeninsel Lavezzi.

.

Und dann sind wir – wie schon im Sommer – Bonifacio wieder so nah. Kurzentschlossen segeln wir nun doch hinüber nach Korsika und verwirklichen endlich den Traum von der Einfahrt nach Bonifacio auf eigenem Kiel:

Vor mehr als 33 Jahren, genauer gesagt bei meinem ersten Westurlaub nach der Ausreise im April 1989, stand ich oben in der Festung von Bonifacio, schaute von den steilen Klippen in die sich durch den leuchtenden Kalkstein windende malerische Einfahrt zum Hafen dieses entzückenden Städtchens an Korsikas Südküste. Diese Reise über mehrere Ländergrenzen hinweg war für mich gelernten Ossi, dessen Schulatlas den westlichen Teil Deutschlands als weiße Fläche abbildete, ohnehin unbegreiflich. And den Landesgrenzen hat man uns einfach ignoriert. Es war verstörend. Und enttäuschend. Wollte ich doch unbedingt stolz meinen druckfrischen Reisepass herzeigen. Aber niemand wollte den sehen, nicht einmal die Schweizer.

.

.

Und dann stand ich dort oben und tief unter mir zog ein Segelboot gemächlich in den kleinen Hafen, und ich schwor mir mit sehr feuchten Augen: eines Tages werde ich es sein, der dort einläuft. Es fühlte sich an, wie ein Lebensziel. Das hatte allerdings rein gar nichts mit eigenem Kiel zu tun. Aber Gottes Wege … Vor zehn Jahren, zu Beginn unserer selbständigen Segelzeit, überführten wir ein Club Nautique – Boot aus dem Winterlager in Sardinien über Elba ans italienische Festland, und legten bei der Gelegenheit ein kurzen Stopp in Bonifacio ein. Ich habe seinerzeit Rotz und Wasser geheult als ich dort hochblickte zu dem Punkt hinter der Festungsmauer, von der aus ich damals herunterblickte. Mit unserem eigenen Boot diese wunderschöne Einfahrt passiert und hier angelegt zu haben ist also der krönende Abschluss dieser meiner Freischwimmer-Geschichte. Diese Rechnung ist endlich beglichen.

.

.

Aber das endgültige Saisonende rückt immer näher und wir müssen uns die Ostküste hinunter auf den Weg nach Cagliari machen. In La Maddalena wollen wir nochmal bei unseren netten Jungs in der Marina Cala di Mangiavolpe anschlagen, die Lieblings-Gelateria Finistrella aufsuchen, Wein, Käse und Tomaten bunkern, bevor wir uns in die Einsamkeit der berückenden Ankerplätze begeben. Wir haben noch knapp vier Wochen und 160 Meilen vor uns, bis wir von Cagliari Richtung Heimat fliegen. Die Wetterprognosen sind überwiegend passend für unsere nach Osten exponierten Ankerbuchten.

.

.

Aber die Lücken zwischen den Mistralen werden auch kleiner und so müssen wir in Santa Maria Navarrese und Porto Corallo unsere Anker-Kette doch unterbrechen und für ein paar Tage jeweils den Schutz der Häfen in Anspruch nehmen. Die südliche Hälfte der Ostküste bietet nur noch wenige Buchten, die tief und ausgebeult genug sind, um sich bei allen Windrichtungen gut verstecken zu können. Nach dem Runden des kecken Capo Carbonara an der Südküste finden wir vor Villasimius unser letztes Ankerplätzchen für diese Saison, wieder sehr schön, sehr ruhig, aber kurioserweise nicht allein. Eine Stunde nach unserer Ankunft rasselt neben uns der Anker des Zweimasters, neben dem wir im letzten Hafen gelegen haben, herunter.

Bis Cagliari bleibt uns ein letzter Segelgenuss von vier Stunden. Aber nach der Hälfte steigt der Wind aus, wir tuckern über glattes Wasser zu Madrugadas Liegeplatz für die Wintermonate im Portus Karalis, im Herzen der Altstadt. Sardinien hat es uns sehr angetan. Welch wundervolle Insel. Wir freuen uns über unseren Entschluss nicht schon weiter ostwärts gezogen zu sein, sondern auf Entdeckungen per Mietwagen im Inselinneren, aber natürlich auch auf die Vorzüge städtischen Lebens und nicht zuletzt den Weihnachtsaufenthalt bei Familie und Freunden.

.

Galerie Illes Lavezzi

.

Galerie „Entlang der Ostküste nach Süden“

.

.

.

.

Ein kleiner Wolkenatlas

.

Tags: Keine tags

Eine Antwort

Leave A Comment

Your email address will not be published. Required fields are marked *