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Sardinien: Serpentinien

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Für Freunde des ambitionierten Kurvenschnippelns ist Sardinien das Paradies schlechthin. Ich weiß nicht, ob irgendein Grande erlassen hat, dass gerade Straßen zu bauen auf Sardinien verboten ist. Jedenfalls kann der gelernte Sarde die meist schmalen, nicht enden wollenden Serpentinen gar nicht anders als auf kürzestem Weg bewältigen, und ich verstehe ihn durchaus. Insofern ist Autofahren auf der Insel schon grundsätzlich ein Erlebnis und entbehrt nicht einer anhaltenden Überdosis Adrenalins, zumindest, solange den übrigen Insassen nicht schlecht wird. Zwischen Hohn und Herausforderung erscheinen mir die 70- km/h-Schilder vor den Kehren, die ich bereits leicht driftend mit knapp 30 nehme.

Über die Schönheit der Küstenregionen konnten wir uns schon ausgiebige Eindrücke verschaffen. Fast immer ergänzten die Bilder aus den karibischen Buchten Berge und Gebirgszüge im Hintergrund. In der Ferne waren selbst von Cagliari aus schneebedeckte Bergkuppen zu sehen. Die Geschichten der Bergdörfer, des harten Hirtenlebens der Sarden, der hervorragenden, wenn auch einfach-deftigen Küche der Bauern, die ehrliche Gastfreundschaft weckten schon seit längerem unsere Neugier, und nun war es endlich so weit: wir brachen auf ins Zentrum der Insel, in die legendäre Barbagia, hinauf ins Gennargentu-Gebirge. Erste Station: Orgosolo.

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Alle Sarden nicken vielsagend, wenn man Orgosolo erwähnt. Das Bergdorf gilt als Rebellen- und Banditenhochburg, als Zentrum des Widerstandes gegen Obrigkeit, Knechtschaft und Besatzungen, aber auch der „Vendetta“, der gepflegten Blutrache. Der Ruf des gelebten Widerstandes besteht angeblich seit der Römerzeit und gipfelte in den 60er Jahren mit der erfolgreichen Verhinderung der Ansiedlung eines NATO-Truppenübungsplatzes inmitten des zauberhaften Supramonte. Das Rebellische hat gegen Ende der 60er eine besondere Ausdrucksform in Wandmalereien, sog. Murales, gefunden. Mehr als 100 Häuserwände sind mit großflächigen politischen Kunstwerken versehen, fast immer protestierend, gesellschaftskritisch und Ereignisse der Italienischen wie der Weltpolitik kommentierend. Für uns war es die perfekte Basis für, Wanderungen in die Berge und Ausflüge in den Winter, wenn wir auch bereits auf 1300 Metern in Schneebergen stecken blieben und den Gipfelsturm abbrechen mussten. Davon abgesehen haben sich alle o.g. Erwartungen erfüllt.

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Sardische Gastfreundschaft äußerte sich angenehmer Weise nicht in übertriebenem Eifer oder schmeichelnder Freundlichkeit. Zu Abschieden gab es einfach eine Flasche Olivenöl vom eigenen Hang, ein Fläschchen Haus-Mirto, abgerundete Rechnungen, eine Tüte Orangen aus dem Garten hinterm Haus, oder nußfreien Kuchen für Anke und den Weg, oder gar die Vermittlung zum Weinkeller ihres Vertrauens (5 Liter vom guten Roten 11,50 €). Dass man von uns in der Bar an der Dorfstraße kein Geld für unseren Kaffee annahm, hat uns schon fast nicht mehr überrascht.

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Ein abschließendes Highlight war der große Umzug der verschiedenen Karnevalsgruppen in Nuoro. Kühles Wetters und Niesel taten dem archaischen, zum Teil wirklich wilden Treiben durch die Straßen der Provinzhauptstadt keinen Abbruch. Und schon stand der nächste Trip ins Land fest: nächster Umzug mit Dorffest in Neoneli.

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Fotoalbum unterwegs in den Bergen

Orgosolo

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Wanderungen zwischen Bergen & Meer

Monte San Giovanni & La Grotta del Bue Marino

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Unterwegs im Supramonte

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