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Das Sardinien-Syndrom

Falls ich es noch nicht getan habe: Ich muss an dieser Stelle ein Geständnis ablegen. Oft haben wir ungläubig Berichten von Segelkollegen gelauscht, dass sie eigentlich nur für ein paar Wochen auf Sardinien bleiben wollten, sich jedoch nicht mehr losreißen konnten und für Jahre hier hängen geblieben sind. Nach nunmehr 14 Monaten auf diesem paradiesischen Eiland glaube ich jedes Wort und gestehe, auch wir planten für Sardinien nur zwei drei Monate auf dem Weg nach Griechenland ein. Jetzt hat es auch uns erwischt, das Sardinien-Syndrom. Nun müssen auch wir uns sehr zum Aufbruch überwinden, zweifelnd, ob es anderswo ebenso schön und des Bleibens wert sein kann. Aber immerhin sind wir einmal komplett außen und auch viel im Land herum gekommen.

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Doch vor der Trennung liegen noch ein paar Wochen, zum einen mit den lieben Silberlocken und zum anderen mit ausgewählten nordsardischen Anker-hotspots, zuzüglich eines Korsika-Schnuppertörns.

Die ersten Bonusetappen nach der Vollendung der Umrundung gehen wieder vor den karibischen Pelosa-Strand, zwei Tage später in die Cala Reale der Insel der weißen Esel Asinara. (siehe blog-Beitrag Mistral und Mortadella: https://sy-madrugada.de/2022/09/mistral-und-mortadella-sardiniens-nordwesten/)

Doch in diesem Jahr verdoppelt sich das Vergnügen, da wir es mit den Freunden Heinz und Karin teilen konnten. Allerdings ist das Vergnügen zeitlich begrenzt, denn hier sollen sich unsere Wege vorübergehend trennen. Die Beiden, die sich – womöglich aus gutem Grund – schon seit sechs Jahren um und in Sardinien herumtreiben, haben vor, ihre nächste Basis in Santa Teresa Gallura zu beziehen. Und wir entschließen uns zu einem Gehorsamkeitssprung, um – wenn man schon mal in Schlagdistanz ist – die Straße von Bonifacio zu kreuzen und uns für zwei drei Wochen an Korsikas Südwestküste umzuschauen.

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Nach sehr hoppeligen 50 Segelmeilen mit ausgebaumter Genua finden wir ein ruhiges Plätzchen zum Ankern in der weiten schönen Bucht von Campomoro. Es ist immer wieder eigentümlich festzustellen, dass das sich die Boote bei geringerer Wassertiefe lieber unangenehm drängen und riskante Manöver auf sich nehmen, während man auf 20 Metern in den schönsten Ecken fast allein ist. So auch hier. Leider nur für eine Nacht, die Reparatur unserer Badeleiter treibt uns in eine Marina mit Bootsservice, aber auch der Wunsch, wieder einmal die Angebote französischer Gastronomie genießen zu können.

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In nahegelegenen Propriano finden wir nicht nur problemlos einen Liegeplatz, sondern auch einen Edelstahlschweißer, der den abgebrochenen 10mm – Stehbolzen der Badeleiterhalterung über Nacht ersetzt. (Ich war überrascht und frustriert: ohne Badeleiter gelang es mir nicht, direkt die Badeplattform zu entern, ohne den Umweg über das Dinghi zu nehmen. Von akzeptablen Haltungsnoten ganz zu schweigen …) Eine weitere, wenn auch unerfreulichere Überraschung hält die Rechnung der Hafengebühren bereit. Der Juni-Preis von 50 € hat sich zum 01. Juli genau verdoppelt. Wohl dem, der weiß, in welcher Zeit er lebt.

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Nicht nur glücklich über die gelungene Reparatur, sondern nun auch mit einem nagelneuen, leuchtend orangefarbenen Paddelbord aus dem überteuerten Seglerspielzeugladen (was die Skipperin noch glücklicher strahlen ließ) an der Reling, brechen wir auf zum Buchtenhopping südwärts. Erkenntnis nach 10 Tagen: Eine Bucht schöner als die andere, kaum Strandbars, überwiegend Segler, keine Jetskis, sehr ruhig und entspannt, feinstes Karibik-Wasser, großartige Bergkulisse. All diese Vorzüge paaren sich mit den erfreulichen Erfahrungen aus Proprianos Restaurants und Spezialitätenläden (aller Art) und pflanzen uns so etwas wie einen vagen Plan in die Hinterköpfe: Korsika könnten wir doch durchaus vor Griechenland ziehen.

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Voilà.

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Mitte Juli sind wir dann erstmal zurück in den Maddalenas. Wir waren schon so oft hier unterwegs, aber noch nie in der viel gepriesenen Cala Garibaldi. Diese entpuppt sich auch tatsächlich als besonders schön, aber natürlich auch entsprechend beliebt und besucht. Rein zufällig rauschte unser Anker unmittelbar neben Silvercurl ins einladend türkise Wasser, was für die nächsten drei Tage wiederum frohes Jugendleben und letzte gemeinsame Stunden verspricht. Der Abschied von den beiden sehr liebgewonnenen Freunden fällt angesichts der Endgültigkeit für unbestimmte Zeit nun wesentlich schwerer, wird jedoch mit einem sensationellen Dinner (in kulinarischer wie finanzieller Hinsicht) gebührend gefeiert.

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Die letzten Sardinien-Tage verbringen wir fast allein in dieser traumhaften Bucht, hinter einem eingebetteten Inselchen versteckt und ausreichend geschützt vor den anhaltenden Mistral-Winden. Die letzten Ausläufer nutzen wir für die Überfahrt nach Rom, bzw. Fiumicino, wo wir für den August einen Liegeplatz in der kleinen Marina Blue Dolphin im Tiber (mit eigenem, und wie sich heraus stellte, hervorragendem Fischrestaurant) gebucht haben.

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Nach etwas mehr als 24 Stunden sehr manöverreichen Segelns machen wir am Holzsteg vor einem meterhohen Schilfgürtel der Tiberinsel fest. Dieser biotopartige Mikrokosmos mitten im Tiber, mit Schwanenfamilien, Blässhühnern, Haubentauchern, Bisamratten, weckt Erinnerungen an Brandenburger und Mecklenburger Gewässer und stimmt mit dem Gedröhn der des nahen Flughafens wegen schon tief fliegenden Maschinen auf die Heimreise ein. Lange hat sie sich nicht in den Vordergrund geschoben, doch nun ist sie spürbar: Die Vorfreude auf Familie, Kinder, Enkel und die Freunde daheim. Aber auch auf Roggenbrot und Fleischsalat und Thüringer Bratwurst.

Doch es steckt ein große Portion Wehmut in uns. Sardinien hat spielend den ersten Platz auf der Liste unserer Heimatreviere eingenommen.

Mit absoluter Gewissheit: wir kommen wieder, oder, noi torneremo.

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Fiumicino – Marina Blue Dolphin

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