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Ibiza und Formentera? Niemals?

Hier wollte ich nie hin, und wenn es noch so schön und gepriesen ist. Da haben wir sie wieder, die Vorurteile, die nur zum über Bord werfen gut sind. Aber, wenn wir schon mal hier sind, Zeit haben, und die touristische Situation covid-bedingt vergleichsweise entspannt ist, was wiederum Platz für uns an hinreißenden Ankerplätzen verheißt, dann muss es wohl sein. Dann gibt es eben das volle Balearenprogramm.

Nach 50 überwiegend gedieselten Meilen zieht ein breites Lächeln unsere Mundwinkel Richtung Ohren: die weitläufige Xarraca-Bucht liegt wunderschön und ist nahezu unbebaut, bietet Ankerplatz im Überfluss und zwei einladende kleine Strandbars an jedem Ende und versöhnt uns umgehend mit der eher langweiligen Überfahrt. Sofort ist unsere Entdeckerfreude auf die bisher geschmähte Insel geweckt. Und am nächsten Tag kommt es noch dicker: die kleine Cala Blanca nebenan – in die wir uns mitten hinein pflanzen können – ist so zauberhaft, dass man glaubt, schöner geht’s nicht …

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Cala Xarraca

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Cala Blanca

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Es ist schon absurd: ich versuche über vor etwa einem Jahr Erlebtes zu berichten. Inzwischen ist viel passiert, wir sind schon wieder auf den Balearen unterwegs, wenn auch nur als Zwischenstopp auf dem Weg nach Sardinien (aber wer weiß?), und es fühlt sich unwirklich an, in Empfindungen, die ein Jahr zurückliegen hineinzuschlüpfen und diese halbwegs authentisch zu beschreiben. Somit ziehe ich auf einen Telegrammstil zurück:

Beim Versuch die ganze Schönheit der Cala Blanca per Drohnenfotos und -videos festzuhalten, versenke ich den Flieger unwiederbringlich auf elf Meter. Vermutlich ein Pilotenfehler. Ende der Luftbilder.

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Wir ankern uns südwärts bis Santa Eulalia, unweit von Ibiza Stadt. Per Taxi besuchen wir die Inselhauptstadt und sind wiederum aufs Angenehmste überrascht. Der Gipfel der Überraschung: beim Schlendern durch die hafennahen Straßen finden wir zufällig im Schaufenster eines einschlägigen Spielzeugladens den lang gesuchten nagelneuen Außenbord-Motor für unser neues Dinghi: Yamaha 9.9 (unseren neuf-neuf!) Manchmal kann das Leben undenkbar einfach sein. Am kommenden Tag schiebt sich ein Lieferwagen rückwärts auf den Strand unserer Ankerbucht. Zwei Helfer entladen das seltene Exemplar und hängen es an das Aluminiumheck unseres am Ufer dümpelnden Schlauchbootes und starten den Jockel. Nach kurzer Einweisung durch den Chef zückt dieser ein Kartenlesegerät und ein paar Sekunden später brausen wir jubelnd durch die Bucht. Dinghi fahren fetzt jetzt auch.

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Tags drauf fällt der Anker im nächsten Paradies: Formentera / Ensenada de Tramuntana. Wasser karibisch türkis, weite Bucht, unbebaute, baumbestandene Felsküste mündet in endlosen Strand, außer uns noch drei Boote! Am Abend sind es vier. Hinter uns rasselt die Kette der mit 87 Metern Länge weltgrößte Ketsch „Aquijo“. Unser flottes Dinghi saust zum Fotoshooting um dieses – tatsächlich elegante – Monster. Eine Einladung zum Apéro, so unter Nachbarn und Kollegen, bleibt allerdings aus.

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Aber wunderbare Begegnungen gibt es trotzdem. Eines sonnigen nachmittags um drei klopft ein Pärchen im Dinghi vorsichtig an unseren Rumpf, interessiert sich für unser schönes Boot, und das übliche woher, warum und wohin. Minuten später sitzen wir bei einer kühlen Flasche Wein in unserem wohl verschatteten Cockpit. Haha, die Welt ist soo klein. Paco ist Pilot und arbeitet bei DHL in Leipzig! Wir feiern diesen großartigen Zufall ausgiebig – Paco pendelt noch zweimal zu seinem Boot zwecks Auffüllung der Vorräte – bis nach Mitternacht, und es gelingt uns trotzdem noch für den nächsten Tag einen gemeinsamen Scooter-Ausflug übers Eiland zu verabreden.

Auch für solch wunderbare Begegnungen lohnt das Reisen.

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Wie trügerisch war die Freude über die überraschende Leere dieses Traumes von Ankerplatz. In Formentera! Ende Juni! Ha, so kurz wie trügerisch. Ab nun wird es voll und voller. Hunderte von Booten aller Arten, Klassen und Größen finden sich ein. Dauerlieger, Wochenendlieger und daysailers. Letztere sorgen für die meiste Unruhe. Sie ankern recht unkonventionell, oft zu dicht, mit wenig Kette, und ziehen zwischen 12 und 18 Uhr – also von nach dem Frühstück bis pünktlich zum Abendessen – ein paar Stunden power-party mit sehr knappen Bikinis, viel Alkohol, grottiger Musik und aufgesetzter Fröhlichkeit durch. Ergänzt wird das Inferno durch brüllende Jetskis, die Kind und Kegel, Oma und Lumpi hier durch die Badezonen prügeln. Endlich! Denn so haben wir es uns hier eigentlich vorgestellt. Es ist in allen Buchten, die wir hier anlaufen, dasselbe Geschehen. Und wir Naivlinge hofften, hier in Ruhe an unserem Blau Gemacht-Buch werkeln zu können, und immer mal zur Abkühlung ne Runde ums Boot zu schwimmen.

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Apropos eine Runde ums Boot schwimmen: bei solchen Gelegenheiten ist es mir doch zweimal geglückt, Kontakt mit den einheimischen Feuerquallen aufzunehmen. Die kleinen bräunlichen Dinger schleppen meterlange Tentakel hinter sich her und treten hier zuweilen in großer Dichte auf. Berührungen mit Ihnen sind äußerst schmerzhaft, verursachen sofort verbrennungsartige blasige Wunden, die sich viele Wochen hartnäckig halten und noch nach Monaten immer mal aufblühen und fürchterlich jucken.

Mit Schwimmbrille wäre das nicht passiert.

Nicht allein der Wahnsinn in den Ankerbuchten Mitte Juli zwingt uns wieder das katalanische Festland aufzusuchen. Wir wollen ein paar Wochen nach Hause und brauch en einen entspannten Schreibplatz. Liegeplätze auf den Inseln in der Hauptsaison sind unerschwinglich (Formentera 300,00/ Nacht!) Unserem Freund Flavio ist es gelungen in der Marina Badalona einen bezahlbaren Liegeplatz für die Zeit unseres Deutschlandaufenthaltes und des Vollendens des Buches bis Mitte Oktober zu organisieren. Und hier schließt sich der Kreis zu: Badalona, die Unscheinbare. (blog-Text vom 12.02.2022)

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Galerie Ibiza Stadt

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Galerie Formentera

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